Sonntag, 18. Dezember 2011

Von Wüste zu Wüste - Von San Pedro nach Uyuni

Ausnahmsweise schreibe ich mal nicht im Bus, im Flugzeug oder spät in der Nacht, das hat einen Grund: Es ist mein letzter Tag in Chile (hatte länger kein Wifi - das ist schon n paar Tage her ;) ) und ich habe gerade noch genug Kohle, um mir ein spärliches Abendessen zu leisten. Also vertreibe ich mir die Zeit mit Schreiben in der Hängematte – hat ja auch was. San Pedro de Atacama ist ein Touristenort…PUNKT! Als Ausgangspunkt für zahlreiche Wüstentouren strömen hier täglich zahlreiche Touristen (Backpacker und Pauschal) an. Wenn man mal von den gesamten Tourenanbietern, den zahlreichen Restaurants und den unzähligen Geschäften, die unnötigen Krimskrams zu überhöhten Preisen an den werten Chile-Urlauber bringen, absieht, muss das Örtchen mal vor einiger Zeit nur so vor Charme gesprüht haben. Eine Oase mitten in der trockensten Wüste der Welt (10mal trockener als die Sahara) mit seinen lehmfarbenen Hütten und der weißen Kirche. Asphaltierte Straßen? Fehlanzeige! Gegen den Staub fährt jeden Tag ein Tanklaster über die beiden Hauptstraßen und verwandelt diese kurzzeitig in eine Schlammsuppe. Auf die Dauer irgendwie dekadent.
Ich habe mich für zwei Touren entschieden, angesichts der sonst horrenden Preise sind diese echt im Rahmen. Mittwochs abends geht es zunächst ins Valle de la Luna (Tal des Mondes). Obwohl wir durch Mondlandschaften fahren, rührt der Name eigentlich von einem Mineral, welches hier abgebaut wurde, dessen Name dem griechischen Wort für Mond ähnelt. In 4 Stunden werden einige beeindruckende Aussichtspunkte angesteuert sowie eine Wanderung durch den heißen Wüstensand unternommen, vorbei durch riesige Salzkegel. Dem ultimativen Höhepunkt wird von einer Anhöhe eine Stunde lang entgegengefiebert – der Sonnenuntergang zieht sich, während die Schatten der Salzkegel im Tal immer länger werden. Wind frischt auf, ich friere, habe unterschätzt wie schnell es in der Wüste auskühlt – 15 weitere Tourbusse stören die Idylle.
Nach 4 Stunden Schlaf klingelt der Wecker am kommenden Morgen deutlich vor Sonnenaufgang. Mit etwas Verspätung brechen wir zur zweiten Tour auf: Sonnenaufgang über dem höchsten Geysir-Feld der Erde. Dazu müssen zunächst aber nochmal ca. 2.200 Höhenmeter auf 4.300m überwunden werden. Die Schotterpiste, bzw. vielmehr die mäßigen Stoßdämpfer, stört den Schlaf, der uns empfohlen wird, um den Höhenunterschied besser zu begegnen.

Als wir ankommen ist es schon hell draußen, das sonst so imposante Farbspiel, vom bläulichen ins gelbliche, bekommen wir daher nur gegen Ende mit. Die zuerst empfundende Enttäuschung hierrüber weicht aber recht schnell angesichts des Sonnenaufgangs – und der Tatsache, dass ich trotz Jacke, Mütze und Handschuhen bei minus 7 Grad ziemlich friere. Nach der Wanderung über das Geysir-Feld, wo sich eine Amerikanerin der anderen Gruppe durch seltene Dummheit auszeichnete (Was passiert wohl, wenn man seine Wasserflasche in den brodelnden Geysir stellt? Antwort: Man verbrennt sich bitterst die Hände, wenn man sie wieder versucht rauszuholen!), ging es in heißen Quellen baden. Der Rausweg gestaltet sich natürlich deutlich schwieriger als der Reinweg. Nach einer weiteren Fahrt durch die Wüste, in der wir u.a. eine Wasserstelle sowie ein altes Dorf besuchten (auch das zur Touristenattraktion verkommen), bin ich gegen mittags wieder im Hostel. Hängematte, 30 Grad und schreibe diese ersten Zeilen.

Am nächsten Morgen werden wir, ich und Nicki (eine Amerikanerin, die gerne mal über ihre Landsleute unterwegs lästert, um 8 Uhr für eine 3-tägige Tour nach Bolivien durch die Uyuni-Wüste abgeholt. Ausreisemodalitäten werden schnell geklärt (45 Minuten geht echt noch), danach geht es eine Stunde durch das Niemandsland, bis wir mitten in der Wüste auf den bolivianischen Grenzposten treffen. Highlight soweit war das Überholverbotsschild, mitten entlang einer schnurgeraden Strecke, welches das Überholen für 200m verboten hat – in der kompletten Stunde ist uns wohl nicht ein Auto entgegengekommen! Das Schild rettet Leben!

Kurz nach dem Frühstück am Grenzposten erreichen wir die Laguna Blanca. Flamingos schlürfen im seichten Wasser nach Krebstieren, denen sie ihre Färbung verdanken. Die Szenerie begeistert durch die Einfachheit. Wenige Farben, aber klar gezeichnete Konturen zwischen Lagune, Wüste, Vulkanen und Himmel – und über allem steht noch immer der Mond. Kurze Zeit später erreichen wir die Laguna Verde, die grüne Lagune hat ihren Namen ihrer Färbung zu verdanken, die von Kupfer- und Arsenablagerungen herrührt. Hier herrscht kein Leben, sieht aber trotzdem interessant aus! Weiter geht’s durch das öde Hochplateau. Öde ist hier nicht einmal negativ gemeint, man gewinnt Eindrücke, die man kaum verarbeiten oder beschreiben kann. Ich nicke manchmal weg, ob es am Ruckeln des Jeeps liegt? Wahrscheinlich auch an der Höhe, wir sind hoch – sehr hoch! Bei den geringsten Anstrengungen kommt man außer Atem. Unsere nächste Station führt uns zu heißen Quellen – 35 Grad klingen echt vielversprechend. Eine halbe Stunde Entspannung im „Pool“, ich relaxe und ahne nicht, dass ich in der Zwischenzeit bestohlen werde. Zurück im Jeep fällt mir sofort auf, dass etwas fehlt. Weder Pass, noch Geldbeutel, selbst der Laptop ist noch da. Nein, irgendwer hat mir meine 5l-Flasche gestohlen!!! Wir sind mitten in der Wüste, aber echt!

Vorm Lunchen kommen wir noch an einem Geysir-Feld vorbei. Es unterscheidet sich komplett von dem des Vortages – die Formen sind anders, außerdem riecht es mehr nach Schwefel. Mehrere breite, buntgefärbte Krater sind geöffnet, braune Brühe blubbert zu unseren Füßen.



Am Nachmittag fahren wir zur Laguna Colorado. Weiß und Rot gefärbt liegt sie zu unseren Füßen, zahlreiche Flamingos „grasen“ nach dem roten Plankton. Wind bläst uns den Staub um die Ohren, während wir am Ufer entlang wandern. Einige weißen Stellen kann man gefahrlos betreten, um ans Wasser zu kommen… Andere sollte man nicht betreten, wie unser japanischer Reisegefährte feststellen durfte – gut, dass er voran gegangen war und ich die Kamera griffbereit hatte. Die Nacht verbringen wir in einem 6-Bett Zimmer eines Refugios. Feuchte Wände und feuchter Boden lassen uns hoffen, dass es heute Nacht nicht regnet. Es wird bitterst kalt werden, Heizung gibt es keine…

Am nächsten Morgen klingelt der Wecker um 6 Uhr, ich hab nen Brummschädel…Die Höhe macht einen ganz schön zu schaffen, bin aber nicht der einzige! Nach dem Frühstück (Aspirin war ein Hauptbestandteil) geht es wieder auf Tour. Gleich zu Beginn müssen wir einen Bachlauf durchqueren und brechen dabei die dünne Eisschicht! Das Highlight des Tages, wie ich finde, kommt direkt zu Beginn. Wir erreichen den Arbol de Piedra – den steinernen Baum – bereits nach ca. einer Stunde. Eine interessante Felsformation, die einem Baum ähnelt. Vor allem fasziniert mich aber das Panorama, ohne das der Stein nicht in dem Maße zur Geltung kommen würde.

Es geht weiter, die Landschaft ähnelt der vom Vortag und mich drückt recht bald der Schuh bzw. die Blase. Mitten in der Wüste, keinen Baum in Sichtweite erleichtere ich mich. Immer schön nach dem Wind ausrichten, das Panorama genießen und aus dem Radio unseres Landrovers werde ich mit „Moskauuuu – Russland ist ein schönes Land…“ begleitet – irgendwie absurd. Weitere Stunden geht es durch diese Hochebene, vorbei an Lagunen, weitere Flamingos… Hochebene bedeutet tatsächlich eben! Wir sind auf 4.500 Meter über NN und unsere Strecke ist komplett flach. Wir erreichen unser Refugio am Rande der Uyuni-Wüste am Nachmittag, die 10 Stunden Fahrt haben sich nicht gerade angenehm auf meine Knie ausgewirkt, auf der Rückbank eingepfercht.
Nettes Hotel, anstatt Fließen ist alles mit Sand bedeckt. Warme Dusche, Lama-Steak zum Abendessen, dann spielen wir zu sechst Druko, bis uns der Strom abgeschaltet wird – das ist um 21 Uhr der Fall. Der Sternenhimmel ist der Beste, den ich jemals gesehen habe! Kein Licht stört den Blick, lediglich der Generator vom Nachbarhaus surrt in der Ferne. Man dreht sich im Kreis und staunt und es fehlen jegliche Worte, die einer Beschreibung gerecht werden würden.

Morgens geht’s wieder früh los. Nach 5 Minuten stehen wir bereits mitten in der Salzwüste. Lonely Planet berichtet von „amazing flatness“ – und tatsächlich. Weit und breit nichts, außer das Weiß des Salzes. Wir steigen aus und stehen in etwa 3cm-tiefem Wasser. Die Uyuni-Wüste ist im Verlauf des Jahres komplett unterschiedlich. Im Sommer ist sie völlig ausgetrocknet, während sie in der Regenzeit mit Wasser geflutet ist und sich der Himmel und die Berge spiegeln. Wir haben Beginn der Regenzeit – wir bekommen beides geboten.


Eine Insel wird angesteuert, kleiner grüner Hügel im weißen Meer. Viele Kakteen säumen diesen, wir wandern zur Spitze und genießen die Aussicht. Manchmal wünscht man sich eine Kamera für die 360Grad-Ansicht! Der größte Kaktus ist um die 9m – bedeutet ca. 900 Jahre alt! Damals waren die Europäer noch nicht auf dem Kontinent angekommen. Weitere Details: Die Uyuni-Wüste hat 12.000 Quadratkilometer – wenn sie nur einen Kilometer breit wäre, würde sie zu mehr als einem Viertel um den Erdball reichen (wenn ich mich nicht irre!). Die Salzkruste kann bis zu 10m betragen und sorgt für die umliegenden Dörfer als eine Haupteinnahmequelle. Ich spar mir an dieser Stelle einfach weitere Worte! Und werde dafür umso mehr Fotos reinstellen.

Nachmittags kommen wir in der Stadt Uyuni an. Hässlich, arm an Attraktion, vermüllt. Ein fetter Hund liegt faul am Wegrand, der Schwarm fliegen um ihn herum, unterstellt, dass er seine besten Tage hinter sich hat – wahrscheinlich alle Tage, wenn ichs mir recht überlege. Wir steuern den Zug-Friedhof etwas an. Massenweise ausrangierte Züge rosten hier vor sich hin. „Asi es la vida“ prangert als Graffiti auf einer Lok – so ist es! In dem Ort will ich nicht bleiben, nicht länger als unbedingt nötig.



Ich beschaff mir ein Busticket nach Potosi, der höchsten Stadt weltweit! Umgerechnet 3 Euro zahle ich für die 5-7 Stunden Fahrt, mir schwant böses. Um 19 Uhr geht’s los, dicht gedrängt, Schotterpiste, Stoßdämpfer gab es sicher auch mal. Raus geht es aus der Stadt beim letzten Tageslicht. Die Berge hoch auf engen Straßen.Ich Glücklicher habe einen Fensterplatz und schaue direkt in eine Schlucht, keinen Meter neben mir. Den Boden sehe ich nicht mehr, er liegt im Schatten. Warum fährt man solche Strecken eigentlich nachts, wenn die Fahrer kaum sehen können? Ich kann nicht behaupten, dass ich die Ruhe selbst bin, als wir zwei LKWs überholen. Kekse knabbern hilft auch nicht wirklich, hätte ich mal lieber den Rum gekauft oder Koka-Blätter… (Anmerkung: Koka-Blätter werden hier traditionell gekaut, helfen gegen Höhenkrankheit und halten wach – absolut legal! Kokain ist ein Derivat hieraus mit einigen weiteren Eigenschaften. Irgendwie vertreten die Amis die Ansicht, dass wer Koka-Blätter hat auch Kokain herstellen kann… Prinzipiell richtig! Und jeder der eine Waffe besitzt ist ein Mörder, ach ne das war anders – irgendwie eine komische Politik da oben… aber okay!) Im Laufe der Zeit nehmen die olfaktorischen Genüsse zu, halte die Nase aus dem Fenster, um dem standzuhalten! Pünktlich, etwas überraschend, kommen wir um kurz nach Mitternacht an. Nach den Tagen gönne ich mir ein besseres Hotel. Morgen wird die Stadt erkundet, ein besonderes Highlight wartet – der Cerro Rico, aber das ist eine andere Geschichte!

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