Mittlerweile bin ich schon ein gutes Stück weiter Richtung Norden gekommen. Nachdem die direkte Busverbindung von Calafate nach Bolson für mehrere Tage ausgebucht war, habe ich mich entschlossen mit 3mal umsteigen und insgesamt 34 Stunden nach Norden aufzubrechen. Also gings nach einem kleinen Asado im Hostel und einigen Bierchen nachts um halb 3 zum Busbahnhof. Ich hab Cama gebucht – das macht das Reisen angenehmer als in jedem Flugzeug! Man streckt die Beine aus, kann sich zurücklehnen, der feinste Schlafwagen… Nach 6 Stunden Zwischenstopp in Rio Galegos. Trostlose Stadt, trostloser Busbahnhof, der Regen rundet das Bild ab. Dann 13 Stunden nach Caleta sonstwieso. Man hat Zeit die weite Landschaft zu betrachten, irgendwann will man nur nicht mehr. Vereinzelte Bohrtürme zeugen vom zuletzt verstärkten Ölabbau in der Region. Die 3 Stunden Aufenthalt schlage ich mir mit einer DVD und einigen Folgen Two and a half Men um die Ohren. Die letzten 13 Stunden werden nacht um halb 10 in Angriff genommen. Trotz den Komforts schlafe ich schlecht. Wache um 5 Uhr morgens auf, weil ich geträumt habe, dass wir da wären, packe meine Sachen und laufe zur Tür – war irgendwie im Nachhinein etwas peinlich.
In El Bolson warten die ältesten Vertreter meiner Familie am Bahnhof auf mich. Die Schwester meiner Oma (großtante) ist Anfang der 60er hierher ausgewandert, sehr religiöser Hintergrund. Als kleines Kind wurde ich mit Geschichten über das Angeln in den Flüssen und der eigenen Farm geködert, was mir über die Jahre hinweg im Kopf haften blieb. Nun, die beiden sind alt geworden. Meine Großtante mittlerweile fast 90, leichter Alzheimer und seit einem Unfall mit einem Stier vor einem Jahr pflegebedürftig. Wohnen etwas außerhalb des Ortes, die eigene Joghurtfabrik musste vor 5 Jahren schließen. Ein Schatten der früheren Zeit. Zur Begrüßung gibt es Rinder-Steak, das Haus wird mit Holzfeuer beheizt, ich fang mir eine Erkältung ein. Am nächsten Nachmittag geht’s für zwei Stunden runter in die Stadt. El Bolson, Hippie-Hochburg Ende der 60er, lebt von seinem Flair, eingerahmt zwischen zwei Bergketten. Nach einem Eis kaufe ich mich für zwei Stunden „frei“, um das Kaff, wie es mein Großonkel mit bitterem Beigeschmack betitelt, zu erkunden. Ein Bier und eine Empanada, die Sonne geht hinter den Bergen unter – ich hätte mir ein Hostel in der Stadt nehmen sollen.
Am nächsten Nachmittag steht ein Angeltrip mit meinem Cousin x-ten Grades (unsere Väter sind Cousins) auf dem Programm. Wir machen uns an den Rio Azul, einen klaren, blauen Gebirgsfluss – ohne Angeln, dafür mit einigen Bierchen. In drei Sprachen unterhalten wir uns über die kulturellen Unterschiede unserer Heimatländer – zumindest glaube ich, dass wir das getan haben. Für den nächsten Morgen steht die Weiterreise nach Bariloche an. Die Verabschiedung mit meiner Großtante erfolgt in Spanisch – sie hat vergessen, dass ich auch deutsch spreche, scheiß Krankheit.
Bariloche liegt lediglich 120km nördlich von El Bolson, aber dieser kleine Unterschied macht sich deutlich bemerkbar. Die Landstraße wird von Lupinien in vier verschiedenen Farben sowie blühenden Ginsterbüschen gesäumt. Der doppelte, durchgezogene, gelbe Mittelstrich rundet das Bild ab, verhindert aber keineswegs, dass an den unmöglichsten Stellen überholt wird. Der Himmel ist blau, was keineswegs zu erwarten war, da Bariloche in den letzten Wochen unter dem Aschenregen eines chilenischen Vulkans zu leiden hat. Obwohl ich keine Reservierung habe, bekomme ich ein Bett im wohl schönsten Hostel der Stadt. Patanuk ist das einzige, welches direkt am See liegt.
Nach einem kurzen Snack geht’s für mich weiter zum Cerro Companario, einem Aussichtspunkt über das weitläufige Seengebiet. Ich habe weder Wasser dabei noch meine Pseudo-Trekking-Schuhe an, also entscheide ich mich geistesverlassen erneut gegen den Lift und für den Aufstieg über einen staubigen Waldweg. 30 Minuten des Fluchens und Bereuens später komme ich oben an. Wunderschöne 360Grad-Rundumsicht. Von Westen zieht allerdings ein grauer Schleier auf uns zu, der uns bis zum Abend komplett einnebeln sollte.
Auf dem Runterweg noch zwei bayrischen Madeln übern Weg gelaufen, Corinna und Louisa, sie hatten ähnliche Probleme beim Abstieg wie ich;) Der Bus setzt und im Zentrum ab, wir verabreden uns für abends auf ein Bier und ich bummel noch etwas durch die Shopping-Meile… Jedes 3. Geschäft hat Schokolade in der Auslage, und das nicht nur zur Weihnachtszeit! Um keine Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen, wiederstehe ich der Versuchung. Im Hostel steigt Mittwochs abends ne kleine Party mit BBQ und Live-Musik. Zwei Bier, dann mit den Mädels getroffen, ein ¼ Kilo Eis in der besten Eisdiele der Stadt und ein paar weitere Bierchen, sehr netter Abend!
Zurück im Hostel ist die Party noch im Gange, obwohl sie eigentlich nur bis 12 Uhr angesetzt war. Sie endet um 5:30 Uhr am nächsten Morgen. Die Asche verhindert, dass man das gegenüberliegende Ufer sieht, mutet fast wie am Meer an, wenn man es nicht besser wüsste. Ich werde zu einer 2-stündigen Reittour abgeholt. Maria, meine Reitlehrerin, ist Französin und bestätigt mein Vorurteil – obwohl ihr Englisch spitze ist, vermeidet sie jeden Satz, außer wenn mein Gaul mir mal wieder sagt wo´s lang geht und nicht umgekehrt. Apropos Gaul, das Vieh hat keinen Baum ausgelassen um mich einzuquetschen, keinen Dornenstrauch, um mich aufzukratzen – er mochte mich einfach. Die Strecke war an sich sehr schön, die Asche nervt jedoch und verhindert eine bessere Aussicht. Also konzentrierte ich mich auf die Aussicht direkt vor mir – haben alle Reiterinnen solche Knackärsche? Ich beschäftige mich mit dem Gedanken einem Reitclub beizutreten! Maria scheint dies zu erahnen und wechselt in den Trab, jegliche erotische Phantasie stirbt sofort und ich muss unwillkürlich an Rührei denken! Bei einem Asado wird der Vormittag ausklingen gelassen, ich bekomme die zündende Idee: Passives Mitglied im Reitclub!!! Der Rest der Kerle ist über kurz oder lang eh impotent!
Der Rückweg nach Bariloche zieht sich diesmal etwas länger hin. Eine (nicht angekündigte) Demonstration versperrt den Weg… Weniger die Demonstranten, viel mehr die brennenden Autoreifen, also geht’s über einen Umweg in die Stadt. Als ich zum Hostel hereinkomme blicke ich in ein vetrautes Gesicht: Carlos und Robert, zwei Deutsche vom Bodensee, die ich vor einer Woche in Calafate getroffen habe, sind gestern Nacht angereist – Südamerika ist echt klein. Aufgrund der anhaltenden Asche-Situation entscheide ich mich für eine Hauruck-Aktion: Morgen Mittag werde ich Argentinien den Rücken kehren und 5 Stunden nach Osorna (Chile) fahren. Dort gibt’s dann hoffentlich einen Anschluss über Nacht nach Santiago (Cama bevorzugt!).
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