Auch wenn mir bewusst ist, dass ich mit der Überschrift womöglich jegliche Spannung nehme, wird der geneigte Leser mit etwas logischem Verständnis sowieso erahnen, dass ich kaum in der Lage wäre, eine weiteren Beitrag zu verfassen, wenn ich die Death Road nicht überlebt hätte… ;)
Ich bin vor zwei Tagen in La Paz angekommen und die wohl größte Attraktion für (verrückte) Traveller ist eine Mountain-Bike Tour auf der Death Road (Yungas-Straße), die von La Paz nach Coroico führt. Kurz zu den technischen Details: Die Death Road wurde in den 1930ern während des Kriegs mit Paraguay von paraguayanischen Häftlingen erbaut und war lange Zeit eine der wenigen Straßen, die das Hochland mit dem Amazonasgebiet verband – daher war sie bis Ende 2006 als eine neue, sichere Straße erbaut wurde, sehr verkehrsreich. Noch heute ist sie sehr beliebt bei den Einheimischen Trucks, weil sie kürzer (und günstiger) ist. Die Straße gilt als die gefährlichste Straße der Welt, die noch bis 2006 auf einer Strecke von 60km jährlich zwischen 150 und 300 Todesopfer forderte! Einspurige Straße, kein Asphalt, keine Leitplanken…Hinzu kommt Nebel und Regen, Schlammlawinen, Steinschlag und eine enorme Höhendifferenz (wir haben etwa 45km zurückgelegt und dabei 3.400 Höhenmeter überwunden).
Soweit so gut, nach recht wenig Schlaf geht’s morgens um 7 Uhr zum ausgemachten Treffpunkt, wo ich auf vier andere Mountain-Biker (zwei Australier zwei Kanadier) und unseren Guide treffe. Der Guide macht von Beginn an einen guten Eindruck. Rotes Weihnachtsmann-Kostüm, halb Australier, halb Neuseeländer… hört auf den Namen Santa – wird sicher riesig. Auf der 45 Minuten Fahrt zum Gipfel wurden die bisherigen Mountain-Bike Erfahrungen ausgetauscht. Auf die Frage, wer schon Downhill-Erfahrung habe, gingen 4 Hände in die Höhe und ich murmel etwas von, ich bin schon mal Fahrrad gefahren. Verdammt, da fahr ich auf der gefährlichsten Straße mit 5 Leuten die alle schon ihre Erfahrungen haben… Naja, wird schon. Am Gipfel angekommen, werden die Bikes ausgegeben und 10 Minuten im Flachen geradelt, um sich vertraut zu machen. In der Höhe reicht das schon aus, um ins Schwitzen zu geraten. Dann mit 96%igen Alkohol Mutter Erde, unsere Räder und unser Magen gesegnet.
Danach geht’s los, anstatt über die normale, noch asphaltierte Piste zu fahren, denkt sich Santa, wir könnten doch einen Single Trail – also direkt den Berg runter – fahren um etwas tiefer auf die Strecke zu kommen. Klasse Idee, alle waren begeistert, bei mir ging die Pumpe… Aber wer wird schon allein die harmlose Strecke fahren wollen? Direkt am ersten Hang gibt es den ersten Überschlag, ein Kanadier hat die Vorder- und Hinterradbremse verwechselt… Kann mal passieren, keine bleibenden Schäden. Ich hab mich im Schneckentempo (heldenhaft) als letztes den Hang hinuntergestürzt und blieb oh wunder unverletzt! Nach 3 weiteren Hängen von dem Kaliber, kommen wir auf den obersten Teil der, hier noch asphaltierten, Death Road. Sattel höher gestellt und mit hohem Tempo geht’s über Serpentinen auf der zweispurigen Straße durch wahnsinnige Landschaft in Richtung Tal.
Die Tempo 35 Schilder gelten scheinbar nur für die Autos und LKWs, die wir im Schuss reihenweise überholen! Sie spielen größtenteils mit und geben uns Zeichen, wenn wir die Kurve nicht einsehen können, dass wir trotzdem überholen können. Nur einmal wird’s eng, als ich wohl das Zeichen missverstanden habe und mich zwischen zwei LKW durchwurschtel. Wir legen an einer Mautstelle (für die neue Straße) einen Zwischenstopp ein. Von hier geht es 8 Kilometer bergauf, die wir relativ schnell in 25 Minuten bewältigen. Oben angekommen biegen wir auf die Yungas Straße ein. Schotterpiste, Nebel, man blickt keine 30m weit! Wir laden die Räder wieder vom unserem Begleitfahrzeug und bekommen letzte Instruktionen.
Auf der Death-Road gilt Linksverkehr, damit der Fahrer des Fahrzeugs abschätzen kann, wie weit es bis zum Abgrund ist. Zu unserem „Schutz“ hat Santa ein Seil dabei. 120m lang und angesichts der Abgründe von deutlich über 300m eher nice to have! Es geht los. Linksverkehr bedeutet für uns, dass wir auf der Seite des Abgrunds fahren. Bammel macht sich breit. Die Straßen hier sind noch etwa 6m breit, aber angesichts der ganzen Steine und des Schotters schüttelt es einen extrem durch. Ich beschäftige mich hauptsächlich mit Bremsen und schiele ab und an in die grüne Schlucht. Der Nebel verhindert, dass man allzuviel nach unten sieht. Eigentlich beneidenswert! Jedoch hat man einen guten Blick auf die Kreuze am Wegesrand, die von einigen unglücklichen Geschichten erzählen.
Gegen 12 Uhr gibt es Mittagsessen. Die Sonne kommt durch. Wir haben schon ca. 10km hinter uns. Die Aussicht wird besser, aber jetzt liegt das engste Teilstück vor uns. Der nächste Kilometer geht über eine Piste, die gerade mal etwas mehr als 3m Breite aufweist. Rechts von uns die Steilwand nach oben und vereinzelte Wasserfälle, die auf die Strecke plätschern. Links von uns, dasselbe bloß viel beängstigender. Dieses Teilstück weist auch die höchste Todesrate auf. Einst ist ein Bus mit 100 Insassen in die Tiefe gerissen worden, als er vergeblich versuchte, rückwärts einem ankommenden LKW Platz zu machen – naja, Platz hat er schon irgendwie gemacht. Ich halte mich auf dem Teilstück betont rechts. Mir doch egal, ob ein Auto kommt – dann kann man immernoch weitersehen! Und auch diesen Part überstehen wir heile.
Kurzer Zwischenstopp, Wasserreserven auffüllen und hinunter geht es aufs längste Teilstück. Zum Teil mit breiten Strecken, die einen durchatmen lassen. Die Handflächen tun mir mittlerweile schon weh von den ganzen Schlägen. Es wird deutlich wärmer, schwül, tropisch! Wir ziehen unsere Regenklamotten aus und fahren in kurzen Hosen. Wird schon gut gehen und verspricht Kühle. Hier bekommt man einen ordentlichen Speed drauf und angesichts, dass die Straßen etwas breiter sind lässt man diesen auch gerne zu. Ich hab einigen Abstand zu meiner Gruppe, als ich auf eine Kurve zu fahre. Bin in der Straßenmitte, ein Truck kommt um die Ecke und warnt sofort mit Aufblenden und Hupen… Als würde das Helfen! Es wird verdammt knapp. 1,5m zwischen LKW und Abgrund, der hier von einigen Sträuchern verdeckt wird. An meinem linken Bein spüre ich kurz ein Ziehen, es geht scharf in die Kurve. Bremse ab, muss durchatmen und was trinken! Glück gehabt! 10m vor mir zieht ein Adler vorüber, der hatte sich sicher schon auf Frischfleisch gefreut. Blick nach hinten. Am Gegenhang sieht man einzelne baumlose Stellen. Entweder sind hier mal Schlammlawinen oder Autos den Abhang hinunter – oder beides! Mein linkes Bein blutet – bin dem Dornengestrüpp zu nahe gekommen.
Ich schließe zur Gruppe auf, wir durchqueren noch zwei Bäche und gelangen ins Tal, wo wir in einer Wildtier-Station mit einem kühlen Bier empfangen werden. Eine Stunde früher, als erwartet, wie uns einer der Volunteers mitteilt. Kaltes Bad im Fluss, Mittagessen und Führung durch die Station. Bolivien verbietet, das Halten von Wildtieren… Allerdings auch, dass sie jemals wieder in Freiheit gelangen, wenn sie in menschlicher Obhut waren. Und so fristet diese Station ihr Dasein. Am frühen Nachmittag geht es im Van die Death Road wieder hinauf zurück nach La Paz. Der Platz auf der rechten Seite garantiert atemberaubende Blicke in die Tiefe.
Abends nehme ich mir ein Taxi, um zum Hostel zu gelangen. Stau, ein Gewitter mit Platzregen zieht auf – und plötzlich fängt es an zu Graupeln. Frag nich nach Sonnenschein. Mein Taxifahrer stellt den Wagen ab, ihm ist es zu gefährlich weiterzufahren. Die Straße ist weiß, wir verweilen 1,5 Stunden und beobachten andere Fahrzeuge, wie sie vergeblich den Berg versuchen hochzufahren und mehr oder weniger erfolgreich wieder herunterrutschen – zweimal kracht es in unmittelbarer Nähe. Da überleb ich die Death Road und dann das! Weiße Weihnacht? ;) Irgendwann geht es mehr oder weniger weiter. Hauptstraßen sind verstopft wir kommen nur in die Nähe meines Hostels. In Flip Flops und Badehose mach ich mich auf die letzten 10 Minuten. Warme Dusche entschädigt für alles. Heute heißt es Wunden lecken. Die Kratzer am Bein sind harmlos. Lediglich der Muskelkater in den Handflächen und am Allerwertesten machen zu schaffen, sind aber nichts gegen das, was andere davongetragen haben. Ein Australier aus meinem Hostel läuft mit einer Armschlinge rum – Schulter angeschlagen. Ein Mädel aus einer anderen Gruppe hatte deutlich weniger Glück (oder deutlich mehr): Abgestürzt und schwer verletzt geborgen. Heute werde ich es ruhiger angehen lassen. Vllt werden nachher im Hostel noch Plätzchen gebacken – Frohe Weihnachten alle zusammen!!
Hey Benni,
AntwortenLöschentotal gelungener beitrag ;)
dein blog liest sich total gut und freue mich schon auf deinen nächsten beitrag! :)))
wünsche dir schöne weihnachten und weiterhin alles alles gute am anderen ende der welt, vor allem viel spaß ;)
lg julia
Hi Benni,
AntwortenLöschenwieder ein atemberaubender Reiseabschnitt und ein ebenso spannender Bericht! "El Camino de la Muerte" hat ihren Namen offensichtlich nicht zu Unrecht. Hast schon mehr erlebt als andere in einem halben Leben - und dabei ist noch nicht mal Halbzeit auf Deiner Tour!
Glückwunsch auch zu Deinem Blog. Tolle Bilder - ausgesprochen kurzweilig geschrieben! Super Idee - uns so mit "On Tour" zu nehmen. Kriege richtig Reiselust. Wie kannst Du nach diesem Trip jemals wieder mit Schlips und Jacket in einer Bank arbeiten wollen? Geht nicht. Wetten?
Dir einen ungefährlichen, entspannten "Heiligen Abend" - wo immer Du heute feierst. Hängematte, Strohsack. Muss ja nicht immer Tannenbaum sein. Beschenkt hast Du Dich dieses Jahr ja selbst - und darfst jeden Tag ein neues "auspacken"!
In diesem Sinne weiter "Gute Reise" - wir sind "On Bord"!
lg
Dad