Mittwoch, 14. Dezember 2011

Tengo la derecha ser feliz

Santiago liegt hinter mir und ich bin von der Stadt begeistert, auch wenn ich zugeben muss, nicht wirklich viel gesehen zu haben. Am zweiten Tag habe ich zunächst den Versuch gestartet, meine Stadttour vom Vortag fortzusetzen… Es blieb beim guten Vorsatz. Mittagessen mit einem Couchsurfer, auf einem Markt, wo sich eigentlich nur Einheimische einfinden – 2 Euro für eine Portion Reis mit Huhn, die zu groß war, um sie komplett aufzuessen. Besonders lustig die Ampelmännchen, die je nachdem, wieviel Zeit noch übrig ist entweder langsam gehen oder in einen Sprint verfallen (werde mal schauen, wann ich ein Video bei youtube reinstellen kann). Danach ins etwas noblere Viertel Bella Vista. 3 Couchsurfer, mehrere Bierchen, gutes Essen, verdammt gute Zeit!!
Abends dann in Kontakt mit einer weiteren Couchsurferin aus Kolumbien getreten und für den nächsten Tag verabredet. Echt ne Süße, wir gehen in Bella Vista essen. Während wir uns unterhalten, werden wir kurz gestört. Sebastian, ein Typ mit dem ich mich 3 Wochen vorher im Bus von Torres del Peine sehr gut unterhalten hat, ist an uns vorbeigelaufen und hat mich erkannt. Auf Reisen trifft man sich immer zweimal, aber mitten in Santiago, das war schon ne Überraschung. Um den Nachmittag kurz zu fassen. Estefania, die Kolumbianerin, kommt aus Medellin (bekannt als Drogen-Hochburg in den 90ern), befindet sich zwei Monate auf Reise durch Chile und Argentinien und hat mich irgendwie in den Bann gezogen. Spricht fließend Englisch, obwohl sie nie eine Stunde hatte oder in einem englischsprachigen Land war – TV schauen mit Untertitel, warum auch nicht! Wir kaufen uns eine zweite Flasche Wein und setzen und in den Schatten bei Santa Lucia. Ihre Oma, zu der sie eine gute Beziehung hatte, ist am Tag ihrer Abreise vor zwei Wochen überraschend verstorben und es hat den Anschein, als tut ihr die Unterhaltung echt gut. Aber bis es Abends wird, haben wir auch noch manch angenehmeres Gesprächsthema. Irgendwann passiert was verwirrendes, sie fängt plötzlich an zu Schwanken, obwohl sie immernoch recht klar spricht. Ich bring sie zu ihr nach Hause, um sich auszuruhen. Sie will mich später anrufen, wenn sie etwas geschlafen hat. Ich rechne nicht wirklich damit, gehe zurück ins Hotel, packe meine Sachen und schau ne DVD, als sie sich tatsächlich um 23 Uhr bei mir meldet. Sie kommt vorbei, wir gehen noch Abendessen und ein paar weitere Weine killen. Das Gespräch kommt mir wie ein Deja-Vu vor – sie erinnert sich quasi an nichts mehr, was in der letzten Stunde nachmittags passiert ist oder gesprochen wurde… An fast nichts;) Wir verabschieden uns 4 Stunden später, zum ersten Mal bereue ich es, dass ich bereits am nächsten Tag weiter nach San Pedro in den Norden Chiles aufbreche. Ich bekomme eine Einladung nach Medellin, der ich definitiv nachkommen werde.
Gegen Mittag des Folgetages geht’s zum Flughafen. Flug nach Calama, mit Zwischenstopp im Niergendwo, danach noch 2 Stunden Busreise nach San Pedro. Während des Zwischenstopps fordert mich die Stewardess zu irgendetwas auf – ich verstehe nichts. Auf ihrem Rückweg vom Cockpit spricht sie mich erneut an, ernergisch, ultimativ! Ihre Handbewegung signalisiert: Ich solle gefälligst den Gurt öffnen. Gott weiss, was daran gefährlich ist, den Gurt nicht zu öffnen, während das Flugzeug stillsteht, aber diesem unnötigen Risiko wollte ich mich dann doch nicht aussetzen. In Calama steige ich um in den Bus, habe Glück, muss nur 20 Minuten warten, bis es los geht.
Ein Kind spielt mit seiner Plastik-Maschinenpistole. Das nervtötende Rattern wird durch den Ausruf „Fire“ alle paar Sekunden verstärkt, während das Kind versucht, alles und jeden ins Jenseits zu befördern. Man waren das Zeiten, als ich meine Spielzeugpistole alle 6 Schuss mit Platzpatronen bestücken musste. Ein alter Mann kommt die Treppe zum Bus herauf geklettert. Gestützt auf einer Krücke hält er eine Gitarre in der Hand, während er sich behäbig durch den Gang schleppt. Auf halber Höhe stoppt er, legt die Krücke beiseite und stimmt ein Lied an – und übertönt dankenswerterweise den Kleinen mit der Knarre. Ich verstehe wenig, nur soviel: „ Tengo la derecha ser feliz!“… wenn mich nicht alles täuscht sollte es heißen: „Ich habe das Recht glücklich zu sein!“ Wie wahr! Der Zwerg ist vergessen, gedanklich befinde ich mich in Santiago. Verdammter Latina-Charme und verdammte Latina-Musik. Viel zu früh hört der Alte auf zu spielen und wir fahren los durch die Stein- und Sandwüste. Die Vorhänge werden als Schutz vor der Sonne zugezogen, trotzdem schiele ich durch einen Spalt nach draußen und entdecke ein Schild: Angler, der eine Forelle fängt! Und ein Schriftzug, der auf ein Projekt zur Ansiedlung von Forellen hinweist. Sehr ambitioniertes Unterfangen, ich sehe nichts außer Geröll und Staub. In San Pedro angekommen, mache ich mich auf die Suche nach einem Hostel. Nachdem es nach einer Stunde dunkel wurde, ich immernoch nichts habe, beginnen langsam die Gedanken… Komme dann doch noch in einem recht idyllischen Hostel unter. Lehmhütten, Hängematten, Hippies – hier gehör ich hin. Mit mir auf der Bude ein Oswaldo. Chilene, der in Paris wohnt und das erste Mal in 43 Jahren seine Heimat besucht. Illustrer Bursche, er erlaubt mir am Abend mit ihm in Englisch zu sprechen, weil ich sicher erschöpft sei. Ab dem Folgetag spricht er nur noch Spanisch mit mir – er macht es wahr.
Abends am Lagerfeuer ein paar Bierchen gezischt und eine Lama-Empanada verzehrt und dabei den Sternenhimmel angeschaut. Das macht man einfach zu selten. Heute die Weiterreise nach Uyuni, Salzwüste in Bolivien, gesichert und zwei weitere Ausflüge gebucht. Heute Abend gibt es nen Sonnenuntergang in der Wüste und morgen früh soll über einem Geysir-Feld die Sonne aufgehen – ich bin gespannt, stehe extra um 3:30 Uhr dafür auf. Mehr über Atacama und die Stadt San Pedro in den kommenden Tagen.

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