Die Zeit vergeht wie im Flug… Die letzten Tage in Medellin waren in erster Linie von einigen Bierchen am Abend und kleineren Unternehmungen über tags geprägt. Gefährliches Kolumbien… in akuter Gefahr schwebt man nur, wenn man ins Taxi steigt und mit europäischer Härte die Tür schließt – das bringt die Fahrer auf die Palme. Zu streicheln darf man die Tür, nach Möglichkeit noch mit Seidenhandschuhen anfassen, andernfalls kann man sich sicher sein, ein angeregtes Gespräch mit den Herren hinterm Steuer führen zu dürfen. Lediglich verwunderlich, dass ihnen die Türen so wichtig sind, wenn sie sonst durch die Stadt düsen nehmen sie auf den Wert ihres Gefährtes nicht wirklich Rücksicht.
Das Wochenende beginnt donnerstags, gefeiert wird bis zum Morgengrauen – der Tag anschließend im Parque Poblado begrüßt… Freitags selbes Programm, der Samstag-Morgen beginnt mit einem herrlichen 6:1 der Eintracht (nach einer Stunde Schlaf), Mittags geht’s weiter zum El Penol, einem Felsen (oder Kometen) ähnlich des Zuckerhutes in Rio, der sich vor einer künstlichen Seenlandschaft in die Höhe streckt. Anders als in Rio ist die Anfahrt etwas schwieriger. Zunächst im Bus bis in eine Stadt in der Nähe, dann ein Pick-up Taxi bis zum letzten Abzweig, dort warten Gäule, die einen den letzten Kilometer zum Fuß des Berges transportieren, dann der Aufstieg – zu Fuß! So ne Gondel wie in Rio wäre echt was Feines. Immerhin hat man von der Spitze einen herrlichen Ausblick…
Zurück in Medellin werden die Sachen gepackt; die letzte Nacht ziehe ich nochmal auf die Couch. Abends sind wir bei Freunden von Estefania eingeladen. Zwei kenne ich schon von früheren Partys, der Rest der Gringo-Gesellschaft geht mir derbe auf den Sack, benehmen sich wie Götter in nem fremden Land. Uns hält es nicht lange, da ich am nächsten Morgen um 7 Uhr aufstehen möchte, war sowieso nur ein kurzer Abend geplant. Vorher aber noch einen Abstecher in den Park, wo wir auf weitere Freunde treffen… Die Mischung aus Bier, Tequila und billigem Rotwein fetzt. Gegen 4 Uhr geht’s zurück, zum Abschied noch eine Flasche guten chilenischen Rotwein – endlich was mit Geschmack! Trotzdem nicht die beste Idee. Aus reisetaktischen Gründen entscheide ich mich gegen die frühe Abfahrt – dafür aber für Aspirin! Die Mittagssonne weckt mich, oder war es das Hämmern im Schädel? Kurzer Abschied, dann im Taxi zum Terminal. Auf der Gegenfahrbahn krümmt sich ein Motorradfahrer, der kurz zuvor Bekanntschaft mit einem Taxi macht…Hauptsache die Tür ist heil geblieben!
Die Busfahrt ist nicht gerade angenehm, der direkte Weg ist versperrt, daher machen wir uns auf nem Umweg nach Bogota – nur 4,5 Stunden Verspätung (neuer Geschwindigkeitsrekord für nen kolumbianischen Bus!). Morgens um 2 Uhr habe ich nichts anderes als ein Bett im Sinn, das erstbeste Hotel muss herhalten, auch wenn ich für zwei Nächte so viel zahle, wie die ganze Woche zuvor. Nach dem Frühstück schlendere ich gegen Mittag im Stadtteil Candelaria, der von gemütlichen Straßencafés und Künstlern, die ihren Schmuck verkaufen möchten, geprägt ist. Ich warte auf Jimmy, einem Kumpel, den ich vor zwei Jahren in Rio kennengelernt habe. Kurz zu seiner Charakterisierung: Jimmy wollte mit kaum Geld lange reisen. Einkünfte erzielte er über den Verkauf von selbstgebastelten Armbändern sowie über die Vermittlung einiger Drogen in Hostels. Dummerweise hat er diese Drogen nicht nur verkauft, sondern auch selbst konsumiert. Im weiteren Verlauf der Reise ist er extrem abgedriftet zudem wurden seine Sachen einschl. Ticket und Pass wurden geklaut. Er war vom Erdboden verschluckt, seine Mum hat sich verzweifelt an einen gemeinsamen Freund gewandt, in der Hoffnung, Informationen über seinen Verbleib zu erhalten. Machen wir uns nichts vor, als ich vor 15 Monaten davon hörte, habe ich mir keine Illusionen gemacht, ihn jemals wieder zu sehen. Aber anstelle, dass er sich an die Botschaft gewandt hat, hat nun die wirkliche Reise von Jimmy begonnen. Per Anhalter und zu Fuß hat er über Monate den Rückweg über Bolivien, Peru und Ecuador geschafft und dabei die Grenzen jeweils illegal überquert. Und während ich gerade einen kolumbianischen Kaffee genieße, fährt er mit seinem Motorrad vor – breit grinsend. Tut echt gut ihn zu sehen, geändert hat er sich kaum… Drogenkonsum etwas reduziert, hat eine Frau und wird Mitte des Jahres Vater.
Er hat einen zweiten Helm dabei und nimmt mich auf Stadttour. Wenn wir zwischen den Autos und Bussen durchflitzen, habe ich nur das Bild vom am Boden liegenden Motorradfahrer des Vortages im Sinn. Mit der Seilbahn fahren wir hoch zur Iglesia Montsserat, herrlicher Ausblick über die ganze Stadt. Ich bin wieder auf 3.000m Höhe, das Atmen fällt schwer. Jimmy spricht jeden in seiner typischen Art an und heißt ihn in seiner Stadt willkommen… Eine Gruppe Japaner hält instinktiv ihre Kameras fest, sind dann aber beruhigt, als sie hören, dass ich Deutscher bin…Schließlich sind unsere Völker Freunde, wie sie sagen, zusammen mit Italien haben wir im 2. Weltkrieg gekämpft… Schön, und meine Mum ist mal Toyota gefahren!
Wir gabeln eine junge Schwedin auf, ihr letzter Tag in Kolumbien, zwei Monate hatte sie Freiwilligenarbeit in einem indigenen Dorf im Amazonas geleistet – auch spannend! Auf ein paar Bierchen geht es in eine Kneipe, wo sich außer uns nur Einheimische befinden. Ein Betrunkener wird handgreiflich, als wir uns an ihm vorbeizwängen wollen. Nachdem er sich an der Wand stößt, nehmen ihn seine Freunde mit raus.
Philosophierstunde – Jimmy erzählt eine kolumbianische Geschichte, wie die ersten Menschen, die das Glück besaßen, selbiges vor dem Rest der Menschheit verbergen wollten. Die Ältesten kommen zusammen, um sich zu beraten und verwerfen nacheinander alle Ideen. Denn, weder die höchsten Berge, noch die Sterne oder der Mittelpunkt der Erde erscheinen als ein sicheres Versteck – man traut den Menschen einfach zu, dass sie es dort irgendwann suchen und finden werden. Dem Ältesten kommt dann aber doch noch die zündende Idee: Die Menschen, sinniert er, werden überall nach dem Glück suchen, aber lasst es uns in den Herzen jedes einzelnen verstecken – sie werden nicht erwarten, dem Glück so nah zu sein und es daher nicht finden… Keine Ahnung, ob es am Bier lag, aber mich hat die Geschichte inspiriert. Da ich jetzt schon über Tage nicht mehr wirklich lange geschlafen habe, wird der Abend nicht wirklich lange – schade eigentlich. Am nächsten Morgen geht es zum Flughafen, um mich Richtung Amazonas aufzumachen! (Diese Geschichte ist auch schon quasi fertig... Aber jetzt gehts erstmal an den Strand, dann werden die Fotos rausgesucht ;) )
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