Medellin – dass es mir die Stadt angetan hat, lässt sich leicht feststellen… Ich bin mittlerweile seit knapp zwei Wochen hier und es wird nicht langweilig. Die Weltöffentlichkeit verbindet Medellin weitestgehend mit einem Namen: Pablo Emilio Escobar Gaviria! El Patron des gefürchteten Medellin-Kartells. Ein Freund aus der Schweiz hatte mir zu einer Tour geraten, die ich heute kurzerhand gebucht habe. Während der gesamten Fahrt durften wir uns das Video „The two Escobars“ reinziehen, welches einige Hintergründe aber auch Erinnerungen aufzeigte. Neben Pablo ist der zweite Escobar ein gewisser Andres. Den älteren wird diese arme Seele mit einem Ereignis in Erinnerung sein – beim letzten Gruppenspiel der kolumbianischen Nationalmannschaft besiegelte er mit einem Eigentor das Ausscheiden seines Teams bei der WM 94 in den USA! Was zu seinem gewaltsamen Tod einige Tage später führte. Diese Erinnerung war mir durchaus noch präsent, was ich nicht wusste war, dass bereits nach der Auftaktniederlage gegen Rumänien der Bruder eines Spielers ermordet wurde. Der Sohn eines anderen Spielers wurde entführt und tauchte später unversehrt wieder auf. Zudem wurde mit Morddrohungen gegen die Spieler enormer psychischer Druck ausgeübt. Und das ganze war 1994, ein halbes Jahr nach dem Tod Pablos – Kolumbien versank in purer Gewalt!
Wir erreichen unsere erste Anlaufstelle, eines der etwa 200 Häuser, die Pablo in Medellin besessen hat. Die Polizei wusste lange nichts über dieses Gebäude, dafür aber das verfeindete Cali-Kartell – eine Bombe hat einigen Schaden angerichtet. Bis heute verwahrlost das Haus, relativ unspektakulär. Während wir zum Friedhof fahren, wird weiter die Hintergrundgeschichte zu Pablo im TV geschaut. In den ersten Jahren hat er sich noch mit Hehlerei durchgeschlagen, stieg mit dem forcierten Kokain-Handel aber zu einem der reichsten Menschen der Welt auf. Mit zunehmendem Reichtum, engagierte er sich für die Armenviertel – es wurden u.a. Fussballplätze gebaut auf denen viele spätere Nationalspieler ihr Handwerk lernten. Dies erklärt einerseits seinen Rückhalt bei der armen Bevölkerung, aber auch seine Freundschaft zu vielen kolumbianischen Fussballern, die er von Kindesbeinen an unterstützt hat. Später übte er seinen Einfluss auf den ortsansässigen Fussballverein National Medellin aus (hat übrigens gestern gegen Universidad Chile in der Copa de Libertad mit zwei sehenswerten Toren gewonnen). Die Spieler und Verantwortlichen wurden mit bar bezahlt – prima Geldwäsche! Die Mannschaft konnte in der Folgezeit einige Erfolge u.a. den Gewinn der Copa de Libertad verfolgen. Die Gründe hierfür: Gute Spieler konnten gehalten werden – „schlechte“ Schiris erschossen werden! (Gegen Medellin wäre nie im Leben ein Elfer wie am Montag gegen die Eintracht gepfiffen worden!)
Wir kommen am Friedhof an, da liegt er neben Mutter, Bruder, Onkel und Leibwächter, der taggleich mit ihm Ende 1993 erschossen wurde. Recht wenig Besucher – bei seiner Beerdigung waren immerhin 20.000 anwesend… er war Held der Armen! Weiter geht’s zu einem seiner früheren Anwesen… In der Zwischenzeit erfahren wir, dass Pablo mit zunehmendem Reichtum und Einfluss auf die Bevölkerung auch ins Parlament gewählt wurde, wo er sich gegen ein Gesetz zur Auslieferung an die USA einsetzte. Dort wunderte man sich über seinen Reichtum, immerhin haben sich Jahre zuvor 97% des Vermögens gerade mal auf 10 Familien verteilt. Eine Untersuchung ergab, dass er in Drogenhandel verstrickt war. Durch ein Amtsenthebungsverfahren – betrieben durch den damaligen Justizminister – wurde seine Immunität aufgehoben und der Posten des Ministers musste recht bald neu besetzt werden. Nicht gerade eine Win-Win-Situation.
In der Folgezeit überzog Pablo das Land mit Terror. Er kämpfte quasi außerparlamentarisch weiter gegen eine drohende Abschiebung (Lieber ein Grab in Kolumbien als eine Zelle in den USA!). Keiner war wirklich sicher, Politiker, Polizisten, Schiris… Auf beliebige Polizisten in Medellin wurde ein Kopfgeld von 500-1000 Euro bezahlt. Blut, Tod, Terror an der Tagesordnung. Politiker begannen sich zunehmend für die Ideen Pablo´s zu begeistern – lag eher daran, dass sie noch weiterleben wollten. Jedenfalls stellte sich Pablo der Polizei, nachdem sichergestellt wurde, dass er nicht ausgeliefert wird und er sich sein eigenes Gefängnis hat errichten lassen… Pools, Fussballplätze und die Maßgabe, dass Polizisten das Gebäude nicht betreten durften. Er lud auch weiterhin seine Freunde zu Parties ein oder er beorderte Drogendealer ein, die er auch schon mal vor Ort ermorden ließ.
Naja, jedenfalls war es zunehmend mehr einflussreichen Kräften ein Dorn im Auge, dass Pablo immernoch wie ein König lebte. Der Plan ihn in ein anderes Gefängnis zu verlegen scheiterte – er wurde gewarnt, die Flucht war ja leicht. Mit US-Technologie wurde am 02.12.1993, einem Tag nach seinem Geburtstag, sein Telefon abgehört und damit der Standort ermittelt. Ob er letztlich von der Polizei erschossen wurde oder seinem Leben selbst ein Ende bereitet hat, ist nach wie vor nicht 100%ig geklärt… Jedenfalls ist er tot und sein Tod sorgte nochmal für einen Ausbruch der Gewalt.
Wir jedenfalls kommen an einem seiner früheren Rückzugsorte an und werden von seinem Bruder Roberto in Empfang genommen. Der Gutste saß 11 Jahre ein, er war für die Finanzen des Kartells verantwortlich. Hören und sehen tut er nicht mehr so gut, einige Wochen nach dem Tod seines Bruders bekam er explosive Post. Das Haus dient heute als Museum. Wir können Exponate wie eines der ersten Autos von Pablo in Betracht nehmen. Aber auch Fotos mit einem Motorrad (ein Geschenk Frank Sinatras) zieren die Wände. Ein Teil der Erlöse der Tour gehen an wohltätige Einrichtungen, nach 11 Jahren Knast möchte Pablo´s Bruder der Gesellschaft etwas zurück geben. Das Haus hat auch eine blutige Vergangenheit. Im letzten Jahr versuchten 4 Kriminelle Pablos Bruder zu entführen, er wurde vorgewarnt. Als die Kids einbrachen fanden sie lediglich die Polizei vor. Schusswechsel, 3 Tote Gangster und einige Kugeln in Wand, Fenster und Sofa.
Hi Benni,
AntwortenLöschenwieder ein schöner Beitrag! Das mit dem Koksen solltest Du weiter mit ihm gemein haben - er wird ja inzwischen vernünftig sein und nicht mehr damit anfangen :-) ! Übrigens gibt's ja außer Euch beiden noch weitere vernünftige Menschen, die noch nicht gekokst haben - mich zum Bleistift. Obwohl ich im jugendlichen Alter zentnerweise Koks in den Keller geschleppt habe. Aber der war schwarz und chemisch vermutlich etwas anders strukturiert als Euer Pulver - ziemlich viel "C" vermute ich. Wobei ich nicht ans Vitamin denke.
Dir weiter noch schöne Tage!
lg
Dad
P.S.: Die Eintracht wurde in der Tat etwas verschaukelt - ich hab's allerdings kommen sehen - sie haben die letzten Minuten förmlich drum gebettelt und vorher halt den Sack nicht zu gemacht.
Bin durch Zufall auf diesen Beitrag gestoßen da ich mich momentan intensiv mit dem Drogenkrieg in Kolumbien beschäftige weil es mich riesig interessiert. Dank dieses Beitrags steht Medellin nun auf jeden Fall mit auf meiner Liste bei meiner Südamerikareise! Gut geschrieben, Danke!
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