Mittwoch, 25. Dezember 2013

Rotorua - Vorhof Mordors unweit des Auenlandes



Eines von unzähligen Warnschilder, die auf thermale Aktivität verweisen
Nach einer ordentlichen Nacht mit viel Schlaf – allein im 4-Bett Dorm, wasn Luxus! – geht es bei leichtem Nieselregen auf Stadt-Rundgang. Eher ziellos schlender ich direkt auf den Kuirau Park mit seinen heißen Schwefel-Quellen zu, der keine 200m hinter meinem Hostel liegt und den Teil der Stadt mit einem beißenden Geruch überzieht. Von weitem sieht man schon den Dampf aus den Morast-Löchern des Parks aufsteigen. Warnschilder mahnen dazu, die vorgegebenen Wege nicht zu verlassen, denn man weiß nie wann und wo neue Thermalquellen durch die Oberfläche stoßen.

Heiße Quellen stoßen in unmittelbarer Nähe zur Hauptstraße durch den Boden
Während die großen Schlammgruben ordentlich abgesperrt sind, werden neue kleinere Risse nur notdürftig mit größeren Steinbrocken verdeckt, dass niemand versehentlich reinstolpert. Selbst aus Gulli-Deckeln mitten auf der Hauptstraße strömt der stechende Dampf hervor. Der Wanderweg führt mich um die Stadt an den See, der aktuell in dichtem Nebel gehüllt darliegt. Da der Regen heftiger wird, gönne ich mir einen ordentlichen Burger. In Sichtweite legt ein auf alt-getrimmter Raddampfer, die Lakeside Queen, für eine Rundfahrt ab und verschwindet alsbald im Nebel.

Die nur hier heimischen "Arschloch-Vögel" - aggressive Zeitgenossen
Als die Wolkendecke wieder aufreißt, setze ich meinen Weg fort. Vom See her weht ein heftiger kalter Wind herüber, es ist fast schon unangenehm. Schwarze Schwäne werden auf den Wellen ordentlich durchgeschaukelt. Während ich Fotos machen will, attackieren mich Möwen! Scheiß Vögel – richtig aggressiv halten sie immer wieder auf den Kopf zu! Lassen sich nur abschrecken, wenn ich die Kamera entgegenstrecke in der Hoffnung eine gute Nahaufnahme zu bekommen… Dann hauen sie ab!

Sümpfe, heißer Dampf, Schwefelgeruch - Mordor lässt grüßen
Der Trail führt am See entlang weiter, vorbei an einem Golfplatz – hier hat wirklich jedes kleine Kaff seinen eigenen Golfplatz!! =) – in eine Seitenbucht des Sees, mit Schwefelquellen alle paar Meter. Der Weg lässt einen unweigerlich an Frodo denken, der auf dem Weg nach Mordor durch die Sümpfe irrt, die ihm fast die Besinnung rauben. Rotorua ist mitten auf diesem Höllenschlund gebaut worden! Die Erde hier steht nie still, im Schnitt „erschüttert“ jeden Tag ein Erdbeben die Stadt.

Bizarre Landschaft
Okay zugegebenermaßen meist mit einem Wert von unter 2 auf der Richter-Skala, aber trotzdem! Einige Kilometer weiter liegt die Stadt Te Wairoa. Das heisst, dort lag sie bis sie am 10. Juni 1886 zusammen mit 150 Menschen nach einer Erruption im Schlamm versank. Mittlerweile ist sie wieder ausgegraben und für Touristen zugänglich – vielleicht komme ich in den nächsten Tagen ja noch dazu, dorthin zu fahren.


Schiff versinkt im Nebel

Im 19. Jahrhundert war die Gegend um Rotorua Mittelpunkt für die ersten Globetrotter, die heißen Quellen versprachen Linderung bei Hautleiden, Rheuma etc. Ein Scharlatan glaubte mit seinem Hot Pool auch von Alkoholsucht befreien zu können. Nach mehreren Todesopfern – Besinnungslos ersoffen – sind die Behörden eingeschritten. Woher ich das weiß? Der Lehrpfad ist echt gut ausgeschildert ;) Heute leben hier knapp 60.000 Menschen; die meisten Gebäude der Stadt werden mit Thermal-Energie geheizt – wer hätte das erwartet…

Tudor Tower - Relikt britischer Kolonialzeit
Später komme ich an den Tudor Towern vorbei, auf deren akribisch gepflegten Bowling Greens meist ältere Einwohner noch heute ihrem Hobby frönen. Nach einer weiteren Stunde, die mich teilweise durch karge Mondlandschaften führt, komme ich endlich zum städtischen Highway und kann mal wieder frische Luft atmen (klingt bizarr!). Zurück im Hostel stelle ich fest, dass ich mein „Einzelzimmer“ mit drei Indern teilen werde. Am nächsten Morgen erobern sie direkt meine Zuneigung, als sie um 6 Uhr aufstehen und es schaffen erst nach 2 Stunden das Zimmer zu verlassen – Rache wird mein sein, für meinen Abreisetag wähle ich extra den frühesten Bus!!

Beschauliches Hobbingen
Heiligabend buche ich eine typische Touri-Tour: Hobbiton – der Mittelpunkt des Auenlandes aus Peter Jacksons Herr der Ringe bzw. der Hobbit Filme. Nachdem die Dreharbeiten beendet waren, wird das Set nach wie vor erhalten und für Fans aus aller Welt zugänglich gemacht. Mehrere Hobbit-Höhlen zieren die sanften Hügel in der Nähe von Matamata.

Zwei Hobbithölen im Hügel
Aufwendig gestaltete Gärten, der große Festplatz unter der alten Tanne sowie das Dragon Inn Runden die Szenerie ab. Dazu gibt es spannende Geschichten rund um die Dreharbeiten – Beispiele gefällig: Der künstlich geschaffene See von Hobbiton hatte bald soviele Frösche angezogen, dass deren Quarken die Dreharbeiten massiv gefährdeten – sie wurden kurzerhand allesamt eingefangen und umquartiert.

Beutelsend - Bilbo's und Frodo's Zuhause; wenn sie mal nicht unterwegs sind
Die Besitzer des Landstücks, auf dem sich jetzt Hobbiton befindet, betreiben seit jeher Schafzucht. Trotzdem hat es kein einziges Schaaf in den Film geschafft, da Jackson typisch britische mit schwarzem Gesicht wollte – diese wurden kurzerhand für die Szenen eingeflogen und intern als „Stunt Sheep“ bekannt. Und zu guter letzt, um zu vermeiden, dass irgendwelche einheimischen Vögel in die Dreharbeiten platzen, wurden Raubvögel gehalten, die diese vertreiben sollten.

"Durchgeknallte" Schwedin im Frodo-Outfit
Außerdem wurde an einzelnen Stellen getrickst – als Bilbo und Gandalf in „Die Gefährten“ auf der Bank vor Beutelsend sitzen und im Sonnenuntergang philosophieren, schauen sie nicht nach Westen sondern nach Osten. Um trotzdem realistische Bedingungen zu haben, wurde während des Sonnenaufgangs in umgekehrter Reihenfolge gedreht, dass es sich wie Sonnenuntergang anfühlt. Abschließend gibt es noch ein Bier im Dragon Inn, bevor es wieder zurück ins Hostel geht. Hier werden noch die Zutaten für den „Weihnachtsbrate“n besorgt – Spaghetti Bolognese (mal wieder) dem Anlass gerecht extra scharf mit einer ganzen Peperoni, Erdbeeren zum Nachtisch und eine Flasche Wein.

Ich treffe auf Nadja und Regina, zwei Brasilianer-innen aus dem Süden des Landes – naturgemäß versteht man sich gleich ;) Die beiden haben sich für ihren dreiwöchigen Urlaub einen Mietwagen genommen, weshalb ich mich am nächsten Tag zu einer kleinen Tour ins Umland anschließe. Es geht nach Te Puia, einer Maori-Kultstätte, auf deren Gelände ein Geysir regelmäßig seine Fontänen in den Himmel speit.

Geysir im Hintergrund
Daneben selbstverständlich auch jede Menge heiße Quellen, wabernde Schlammgruben und der alles in Besitz nehmende Schwefel-Geruch. Highlight sicherlich die abgedunkelte Kammer, in der eine Kiwi-Familie gehalten wird. Für mich völlig überraschend, wie groß die Vögel werden. Ich hätte sie kleiner erwartet. Den Plan, abends ein paar Caipis zu mixxen, müssen wir verschieben – nichts, aber auch gar nichts, hat am Weihnachtsfeiertag geöffnet! Morgen geht’s weiter nach Taupo, etwas weiter südlich. Da die Mädels ebenfalls in den nächsten Tagen dort vor Ort sind, sollte der Caipi doch noch zu verwirklichen sein. Jetzt geht’s erstmal kochen – Spaghetti Bolognese (wer hätte es gedacht) mit Knoblauch, der mir gestern vermacht wurde. Euch weiterhin geruhsame Feiertage und genießt eure Gänsebraten oder was auch immer – das hol ich bald nach ;)

Trostlose Landschaft

Alles schläft, einer wacht - gut für die Spinne hätte der Tag wohl nicht übler enden können

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