Couchsurfing macht echt Spass, man hat eine gemütliche Couch, lokale Menschen um einen herum und die Abende werden in der Regel lang. Zu Wochenbeginn geht´s auf kleine Städtetour mit der nach eigenen Aussagen „weltschlechtesten Fremdenführerin“ – obwohl Estefania Tourismus studiert, hat sie Wort gehalten. Nichtsdestotrotz konnte ich mir ein kleines Bild von der Innenstadt machen, nette Parks mit Skulpturen eines weltbekannten Künstlers, dessen Namen ich vergessen habe. Eine der Skulpturen, die in der Regel dicke Menschen und Tiere darstellt, ist aufgesprengt – Pablo Escobar hatte hier vor Jahren eine Bombe platzieren lassen und einige Dutzend Menschen in den Tod gerissen. Heute fungiert der Platz als Gedenkstätte.
Tags darauf bin ich etwas auf mich allein gestellt, mich zieht es in den botanischen Garten, Buch und Lonely Planet zur Hand, um einfach etwas zu entspannen und die weiteren Schritte zu organisieren. Das Telefon klingelt, Marc ist am Apperat und will sich auf ein Bier treffen. Der Kalifornier, dem man sein Alter von 41 Jahren wahrlich nicht ansieht (ich hab mir den Ausweis zeigen lassen), verschlägt es seit 5 Jahren jeweils für einige Monate nach Kolumbien. Wird ein netter Abend, den wir in einem kleinen Park, der vornehmlich von Hippies und Travellern besucht wird, bei ein paar Kaltgetränken ausklingen lassen. Zurück bei Estefania gibt es schlechte Neuigkeiten. Die kleine hatte ich ja seinerzeit in Santiago kennengelernt, dummerweise hat sie sich kurz vor ihrer Rückkehr einen Freund angelacht. Gut kann man nix machen. Sie ist ne ehrliche Haut und erzählt ihm, dass ich bei ihr in der Bude penne, was zu kleineren Eifersuchtsdramen führt. Eine kleinere Recherche meinerseits (Facebook) führte zu Tage, dass der Chilene und ich nicht nur einen gemeinsamen Freund haben, sondern drei… Rudolfo, mein Kumpel aus Santiago, ist sein bester Freund – die Welt ist verdammt klein. Eigentlich war angedacht, dass Estefania und ich zusammen für zwei Tage einen kleinen Abstecher zum Rio Claro machen, der Eifersucht war jedoch nicht beizukommen, also mache ich mich tags darauf am Morgen alleine Richtung Busbahnhof auf. Nachdem ich jetzt 6 Wochen eigentlich fortwährend in Begleitung von Freunden gereist bin, muss ich echt gestehen, dass das Gefühl etwas komisch war – bin echt verweichlicht! ;)
Anstelle von 3 Stunden benötigen wir 3,5 Stunden (geplatzter Reifen im Gegenverkehr – irgendwas ist halt immer!). Der Busfahrer lässt mich irgendwo im Nirgendwo raus, meine Brille beschlägt direkt. Einem Schild folgend mache ich mich zu Fuss in Richtung Cabanas Rio Claro. Es hat den ganzen Tag geregnet, der Boden ist schlammig und die ersten Blicke auf den Fluss sind eine Enttäuschung. Anstelle von klar wandere ich entlang einer braunen Brühe. An der Rezeption treffe ich auf zwei Mädels, die in ihren Ferien in dem Resort arbeiten. Dina und Ladi sprechen nur spanisch, sind aber mit ihrer witzigen, offenen Art der reinste Spass.
Ich bekomme noch ein Zimmer, der preis von knapp 30 Euro (Vollpension) ist zwar etwas teurer, aber vertretbar. Vor Einbruch der Dunkelheit gehe ich noch ein bisschen wandern und treffe auf eine Gruppe Ornithologen (Amis, alt und völlig begeistert, wenn etwas gefiedertes aus der Höhle fliegt). Nach dem Abendessen, welches ich mit zwei weiteren Deutschen verbracht habe, bin ich gegen 21 Uhr der letzte Gast im Speisesaal – es ist einfach zu früh, um schlafen zu gehen. Zu mir gesellt sich Luiz, der Führer der Vogel-Bingo Gruppe. Er hat ein eigenes Unternehmen gegründet und sich auf solche Gruppen spezialisiert, die er dann 2-3 Wochen durch Kolumbien begleitet. Zu viert, die beiden Mädels von der Rezeption haben auch nichts mehr zu tun, wird der Abend bei Bier und Ananas noch etwas länger.
Am nächsten Morgen wache ich früh auf, lag nicht am Wecker, sondern am zirpen und singen der Insekten und Vögel sowie am allgegenwärtigen Rauschen des Flusses. Auch wenn ich sicherlich gleich hätte aufstehen können, habe ich es noch genossen, im Halbschlaf etwas liegen zu bleiben. Der Himmel ist blau, vorm Frühstück zieht es mich noch runter an den Fluss und tatsächlich, der Pegel hat um etwa einen Meter abgenommen und das Wasser schimmert in einem grünlichen, klaren Ton in der Sonne. Nach der Stärkung geht es auf eine Rafting-Tour. Vom Schwierigkeitsgrad absolut nicht anspruchsvoll lassen wir uns die meiste Zeit durch die grüne Dschungellandschaft treiben und beobachten Vögel, Libellen und Schmetterlinge.
Beinahe geht ein Mann über Bord, als wir unvermittelt auf einen Stein auflaufen und hängen bleiben… Nach einer Minute gelingt es uns dann aber das Boot wieder frei zu bekommen. In der Ferne ragen kahle Mamor-Hügel in den Himmel hinauf, dieser Part gehört nicht zum Naturschutzgebiet und wird daher von Firmen abgebaut. Überhaupt ist das Rio Claro Resort kein normales Naturschutzgebiet, sondern vor Jahren auf Initiative einer reichen Familie entstanden – wie man an das Geld gekommen ist, um dieses Stück Natur aufzukaufen, sei mal dahin gestellt. „Koksen für den Naturschutz!?“ Drei Stunden geht die Tour insgesamt, immer wieder unterbrochen, um uns mit einem Sprung ins (gar nicht mal so) kalte Nass, abzukühlen. An einer Kurve hat das Wasser eine Höhle in das Gestein eingefräst. Dieser Überhang ist gleichzeitig eine Art Tropfstein-Höhle, an den Stalagniten (oder sind es Stalagtiten, ist ja auch egal eigentlich, jedenfalls) haben sich vereinzelte Pflanzen niedergelassen, die dem Ganzen eine recht bizarre Form geben.
Nach dem Mittagessen geht es auf Höhlenbesichtigung. Zunächst 20 Minuten den Fluss entlang, dann wird an einem Seil dieser überquert – gut, dass ich Kamera und Taschenlampe in eine Plastiktüte verstaut habe. Auf der anderen Flussseite befindet sich der Dschungel (übrigens, das einzige deutsche Wort, welchem alle drei Artikel vorangestellt werden können – bisschen klugscheißen tut auch gut), wie er ursprünglich war. Diese Impression festzuhalten gestaltet sich recht schwierig, auf den Bildern sieht man nur eine grüne Wand. Man kann sich sehr gut vorstellen, wie aussichtslos die Suche einiger Forscher nach verlorenen Städten war. Auf eine Distanz von 10 Metern sieht man einfach nichts mehr.
Unseren Weg kreuzen Herrscharen von Blattschneider-Ameisen, sowie große schwarze Ameisen, vor denen wir uns in Acht nehmen sollen. Früher haben die Ur-Einwohner diese Viecher genutzt, um Wunden zu nähen. Man nehme eine Ameise, halte sie so an die Wunde, dass zubeißt und die offene Stelle etwas zusammenzieht. Dann drehe man ihr den Kopf ab und suche die nächste Ameise! Hab ich mal in nem Film gesehen, aber nicht so recht glauben wollen. Nach etwa einer Stunde erreichen wir die Höhle. Das Wasser hat in tausenden von Jahren wellenförmige Formen in den Stein gewetzt.
Als ich an die Wand leuchte, fällt der Schein direkt auf eine etwa handteller-große Spinne. Na super, wo eine ist, sind mehrere – also immer schön aufpassen, wo man sich abstützt. Die nachtaktiven Vögel, die an der Decke hausen, sind über unsere Ankunft nicht erfreut. Ein gefährlich anmutendes Fauchen schlägt uns entgegen. Sie anzuleuchten ist uns verboten, lediglich ab und an tauchen die etwa tauben-großen Vögel in unserem Licht direkt über unseren Köpfen auch. Die ganze Szenerie erinnert mich an Star Wars, als Han Solo und seine Schnitte auf der Flucht vorm Imperium vermeintlich in einer Höhle Unterschlupf finden und von Mynoks belästigt werden.
Gut, Laser-Kanonen haben wir keine, dafür stehen wir brusttief im Wasser und es handelt sich tatsächlich um eine Höhle und nicht um den Magen eines riesigen Wurms. Wie auch immer, an einer Stelle wird aus dem Tunnel ein riesiger Raum. Lampen aus, hinsetzen und die Klappe halten. Ich halte mir mit einer Hand ein Auge zu und sehe nicht mal einen Schatten – die totale Dunkelheit. Die letzten Meter muten wie ein Wasserpark an, man steigt über mehrere Rutschen ins Wasser hinab und taucht bei den Sprüngen komplett unter. Insgesamt eine sehr lohnenswerte Erfahrung.
Abends trinke ich noch ein Bierchen mit Sander und Sergio (Holland und Kolumbien, studieren zusammen in Belgien), zolle aber der Anstrengung des Tages recht bald Tribut und verabschiede mich ins Bett. Morgens bin ich bereits früh wach, der Himmel ist blau, die Viecher veranstalten ihr Konzert. Nach dem Frühstück geht’s zum Canopy. An drei Stahlseilen schwingen kreuzen wir in 5-8m Höhe den Flusslauf. Sowas macht echt Spass! Während die beiden Jungs sich auf ihre Rafting-Tour machen, marschiere ich den Rio Claro flussaufwärts. Nach der ersten Viertelstunde wird der Weg fordernder. Über Steine und Äste geht es weiter. Die Idylle ist der Wahnsinn und ich stoppe immer wieder, um Fotos zu machen. Man hat das Gefühl, komplett allein unterwegs zu sein. Nach etwas mehr als einer Stunde wird mir der Weg zu gefährlich, die Steine sind dünn und rutschig – man muss es nicht übertreiben. Zudem blicke ich immer zweifach in die Steinritzen, an denen ich mich festzuhalten gedenke, nachdem ich morgens in einer eben solchen einen Skorpion entdeckt habe.
Nachmittags nehmen mich die beiden wieder mit zurück nach Medellin. Der Abstecher hat sich mehr als gelohnt! Zudem hat sich bei mir der Gedanke verfestigt, dass ich nicht mehr bis an die Karibikküste reisen werde. Erstens hatte ich schon seit Tagen das Gefühl, dass der Rest der Reise quasi festgeplant ist – was sie als recht kurz erscheinen lässt. Zweitens würde ich wieder ca. 14-16 Stunden im Bus sitzen, was mich einschl. Rückfahrt zwei Tage kosten würde. Und wenn ich schon an der Karibikküste bin, möchte ich neben dem Strand sicherlich auch die Ciudad Perdida (verlorene Stadt) besichtigen. Der Trip dahin bedeutet weitere 5 Tage Aufwand. Also: Tempo rausnehmen, noch eine Woche in Medellin verbringen und die Umgebung kennenlernen bzw. vielleicht doch noch einen Spanischkurs belegen. (Und in Gedanken die nächste Kolumbien-Reise planen – genügend Ideen hierfür hätte ich jedenfalls ;) )
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen