Jetzt habe ich 7 Tage in Cusco verbracht, eine ganze Woche, länger als irgendwo sonst bisher und die Stadt gefällt mir immernoch. Im letzten Beitrag habe ich die Isla del Sol als Nabel der Welt für die Inka beschrieben, zwischenzeitlich stellt sich heraus, dass Cusco in Quechua – der Sprache der Inka – eben solches heisst.
Am Sylvestermorgen will ich ein bisschen in der Stadt rumschlendern und laufe an der Rezeption direkt in Tom, einen jungen Australier, den ich bereits in La Paz kennengelernt habe. Bei sonnigem Wetter zischen wir einige Bierchen auf einer Dachterrasse direkt über der Altstadt. Die ganze Stadt bereitet sich auf den großen Abend vor. Hier ist alles in gelb. Gelbe Hütte, gelbe Brillen, ja selbst gelbe Damenunterwäsche wird an den Straßenständen angeboten. Entsprechend ausgestattet (auf die gelben Slips habe ich verzichtet) geht es zu Dritt abends in ein Restaurant, wo ich tags zuvor ein Meerschweinchen vorbestellt habe. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich unbeliebt mache: Knusprige Haut, saftiges zartes Fleisch! Sehr lecker! (Sollte jemand Meerschweinchen-Nachwuchs erwarten: Ich würde es groß ziehen!)
Nach dem Abendessen weiter auf die Plaza de Armas, wo sich die gelbe Menge langsam zu Live-Musik in Stimmung bringt. Wir laufen in Arnold, einen Holländer, den wir alle drei von anderen Orten unserer Reise her kennen – Südamerika ist ein Dorf! Mich plagen noch die Magenprobleme der letzten Tage und der Wiskey-Cola trägt nur bedingt zur Beruhigung bei. 12 Uhr, großes Feuerwerk, es fängt zu regnen an. Alles drängt sich in die überteuerten Bars und unter die Balkone. Ich spüre kalten Schweiß auf der Stirn, mir wird schwummrig – Rückzug aus der Menge. Gerade noch rechtzeitig, mir wird schwarz vor Augen. Mehr schlecht als recht komme ich später im Hostel an. Das war´s mit der Party. Frohes Neues 2012 – fängt ja gut an! Was soll´s. Am nächsten Tag hört man dann Geschichten am laufenden Band von Leuten, die während der Feier bestohlen und beraubt wurde.
Montags geht es auf 2-tägige Tour nach Machu Picchu. Angesichts der Regenzeit verzichte ich auf den langen Inka-Trail. Mit von der Partie ist Sebastian aus Fulda, mit dem ich bereits seit ein paar Tagen im selben Hostel bin. Sieben Stunden Busfahrt durch beeindruckende Berglandschaft, die letzten zwei Stunden über eine Schotterpiste, die der Death Road in Nichts nachsteht. Man schaut aus dem Fenster – und blickt direkt in den Abgrund. Wir kommen trotzdem sicher an und dürfen uns zu Fuss noch ein paar Kilometer Richtung Aquas Calientes machen. Der angekündigte Guide wartet nicht wie erwartet auf uns. Wir kommen in die Stadt, ohne zu wissen, mit welcher Organisation wir gebucht haben oder in welchem Hostel wir unterkommen. Alles was wir wissen ist, dass wir irgendwo eine Hostel-Reservierung haben und jemand unsere Tickets hat – und es wird langsam dunkel. Nach 30 Minuten läuft jemand über den Platz und ruft unsere Namen durch den Regen – geht doch!
Aquas Calientes liegt malerisch zwischen mehreren Bergen am Ufer eines reißenden, schokomilch-farbenen Flusses. Das Getöse ist allgegenwärtig. Abendessen in der Gruppe (ich wusste bis dato nicht mal, dass wir zu einer Gruppe gehören). Wir sitzen am Tisch mit drei Argentinierinnen Anfang 20. Als sie hören, dass wir aus Deutschland kommen, fangen sie an Deutsch zu sprechen. Wird ein netter Abend, der angesichts der Tatsache, dass das Frühstück auf 4 Uhr angesetzt ist, etwas kurz ausfällt. Der kommende Morgen; der Wecker reisst einen viel zu früh aus dem Schlaf, es regnet, wir sind pünktlich beim Frühstück – als einzigen, das Service-Personal taucht erst 30 Minuten später auf. Verkleidet als gelbe Müllsäcke treten wir den Aufmarsch zu Machu Picchu an, stets in der Hoffnung, doch den Sonnenaufgang zu sehen. Es regnet immernoch, trotzdem schmeckt das Wasser auf den Lippen recht bald sehr salzig.
Auf dem Gipfel angekommen sieht man keine 20 Meter weiter. Nebelwände wabern durchs Tal. Nur langsam wird der Blick auf die Ruinen der wohl berühmtesten Inka-Stadt freigegeben. Aber selbst ohne diese hat der Ort etwas mystisches. Grüne steile Berghänge, Nebelwälder, im Tal der braune Fluss und hinter jedem Hügel scheinen sich weitere zu verstecken. Für die Inka ist Machu Picchu eine ganz besondere Stelle, die vermutlich von der Oberschicht bewohnt wurde. Die Stadt wird gleich durch drei heilige Tiere beschützt. Auf der klassischen Postkartenansicht bilden drei Gipfel im Hintergrund die Silhouette eines Kondors, der in der Mythologie der Bote zum Himmel ist.
Direkt daneben erkennt man mit etwas Phantasie einen Puma, der sich wegduckt. Nimmt man noch den Fluss hinzu, der sich duch das Tal schlängelt und eine Schlange symbolisiert hat man die drei Tiere der Unterwelt, des Himmels und der hiesigen Welt (Mittelerde, oder wie man das auch wieder nennt!).Auf der Führung erfährt man noch so manch andere interessante Information. Prinzipiell waren die Inka ein landwirtschaftliches Volk. Unser Guide war sehr stolz darauf, dass sie bereits zur Zeit als die Spanier kamen Dutzende Mais und Hunderte verschiedene Kartoffelsorten hatten und die Europäer noch gar nichts… Gut, dafür hatten die Spanier Feuerwaffen.
Zurück im Tal geht es mit dem Zug 30 Minuten den Fluss entlang zu unserem Bus. Wenn man seine Sinne auf die Felsformationen geschärft hat, erkennt man plötzlich überall Gesichter und Fratzen, die von den Hängen herabglotzen. Unser Busfahrer ist extrem gut drauf, geradezu euphorisch. Zunächst frotzeln wir darüber, ob er Alkohol getrunken hat, später stellt sich heraus: Es ist „lediglich“ völlig übermüdet. Top-Voraussetzung für die engen Straßen ohne Leitplanken, die vor uns liegen.
Nach einer halben Stunde setzen wir bei einer Bachüberquerung hinten auf und verlieren unsere Stoßstange – und 30 Minuten Zeit, die einer sinnlosen Suchaktion geopfert wird. Ich muss echt gestehen, ich schwitze den Rest der Fahrt Blut und Wasser. Sekundenschlaf auf der Strecke ist tödlich, und der Fahrer blinzelt erstaunlich oft, wir fahren mit offenem Fenster – alles Dinge, die ich mache, wenn ich müde bin. Aber ich fahre dann in der Regel keine weiteren 5 Stunden die Abhänge entlang.
Naja, wir schaffen es trotzdem irgendwie nach Cusco, wo wir noch einen Tag entspannen. Als wir übern Markt gehen werden wir Zeuge einer Schlachtung. Zwei Hühner kopfüber in einen Trichter, an dem unten eine Plastiktüte befestigt ist. Keine Gegenwehr. Schneller Schnitt am Ende des Trichters, das Blut sprudelt in die Tüte, die Füße zappeln. Abends kann gegessen werden. Tags drauf geht es mit dem Bus Richtung Lima (20 Stunden), dort 7 Stunden Aufenthalt (kurz zum Strand, wo ich WIEDER einen Australier treffe, dem ich vorher auf der Tour schon zweimal begegnet bin) und dann nochmal 18 Stunden nach Mancora, ganz im Norden Perus. Strand, Sonne, Wellen, Bikinis, rote Sonnenuntergänge – ein paar Tage aufwärmen und entspannen ist angesagt.
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