Donnerstag, 10. November 2011

Hoch hinaus

Nach einer sehr ruhigen Nacht im Einzelzimmer (das ist Luxus!) hat meine Vermieterin festgestellt, dass sie mir doch noch für zwei Nächte ein Zimmer anbieten kann. Mit der Gewissheit im Rücken, untertägig nicht umziehen zu müssen, wurde mir ein Taxi bestellt, welches mich an der Talstation des Glacier Martial absetzen. Bei bitterstkaltem Wind versuche ich mich an der Gipfelbesteigung. Unterwegs begegneten mir vermeintliche Profis… gut zu erkennen an ihren Walking-Stöcken und den mitgebrachten Wasserflaschen, teilweise auch Steigeisen!
Ich sparte mir diesen unnötigen Ballast, Wasser gabs aufgrund der Gletscherschmelze ja ohnehin genug unterwegs. Es war jedoch so kalt, dass mir beim Trinken direkt die Hände abgefroren sind. Nachdem ich bei ca. 600m das erste Schneefeld überwunden habe, ging es auf Geröllpisten im Zick-Zack-Stil steil nach oben. Die Anstrengung machte sich bemerkbar, ich konnte mich trotz der Kälte und Schnee der vom Gletscher hergeweht wurde von der dicken Jacke trennen und zu den sanften Klängen der umgebenden Natur mischte sich von irgendwoher ein menschliches Keuchen.
Vor mir waren zunächst noch die beiden Profis mit Wanderstöcken, von denen einer jedoch bald umdrehte – Weichei! Mangelnde Ausrüstung kann durch eine gehörige Portion Selbstüberschätzung schließlich wettgemacht werden! Am Gipfel noch ein kurzes Erinnerungsfoto schießen lassen und alsbald wieder zum Abstieg bereit gemacht. In dieser extremen Höhe (900m) muss man schließlich jederzeit mit einem Wetterumschlag rechnen… Bergab war auch nicht gerade ein Zuckerschlecken. Auf der Geröllpiste kann man entweder stehen oder man fängt irgendwie dann doch an zu rennen, während um einen herum die Steine vorbeikullern.
Als schlussendlich an der Talstation kein Taxi verfügbar war, entschied ich mich den Weg zu Fuss weiterzugehen. Bergab der Straße entlang. Bereits in der zweiten Kurve bietet sich die Möglichkeit über eine kleine Brücke in den angrenzenden Wald zu gelangen. Ich erinnerte mich gelesen zu haben, dass auf diesen Schleichwegen die Chance besteht auf Horden von wilden Hunden zu treffen, hab mein Taschenmesser also mal Griffbereit in die Jackentasche gesteckt.

Der zunächst relativ breite Weg führte mich durch einen sehr mystisch anmutenden Wald mit verknöcherten, von Flechten zugewucherten Bäumen. Der iPod sorgte für Beschallung auf dem einen Ohr und bei „Aqueous Transmission“ macht sich das Gefühl der völligen Tiefenentspannung breit. Der Weg wurde mit der Zeit schmaler und irgendwann gings nur noch durch das Unterholz und man konnte lediglich ahnen, dass hier mal Leute entlang gelaufen sind – später konnte man nicht mal mehr das. Klar, man hätte umdrehen können, aber was hinter mir lag, hatte ich ja bereits gesehen. Nachdem ich mich mehrfach im feuchten Gestrüpp auf dem Boden wiederfand, kam ich an einen Bachlauf. Um auf die andere Seite zu gelangen, bot sich ein glitschiger Baumstamm geradezu an. Sicherheitshalber zunächst gecheckt, ob ich Empfang habe, wäre äußerst blöd hier liegen zu bleiben. Die Überquerung erwies sich im Nachhinein dann doch etwas leichter als erwartet und drüben angekommen, gings noch 20m durchs Gestrüpp und siehe da: ein ausgewiesener Trekking-Pfad – man kann es sich auch unnötig leicht machen.
In der Stadt angekommen drei Empanadas als Quick-Lunch und weiter Richtung Hafen. Die geplante Bootstour musste dann aber leider ausfallen, da sie bereits ausgebucht war. Ab ins historische Museum im alten Gefängnis. Um 1905 rum mussten sich die Häftlinge ihr eigenes Gefängnis bauen und das am Arsch der Welt – dumm gelaufen! Heute dienen die einzelnen Zellen als Ausstellungsräume um Einblicke in das historische Ushuaia zu erhalten und um das Leben der Yaghan, eines von zwei Naturvölkern auf der Insel darzustellen. Die Jungs lebten hier für 1.000 Jahre, Charles Darwin hat sie gesehen und hat in ihnen das lange gesuchte Missing Link vermutet, also anders ausgedrückt – er hat sie nicht für Menschen gehalten. Als Darwin hier aufkreuzte hatte er bereits einen der Bewohner mit an Bord. Jahre vorher kam man auf die glorreiche Idee ein Paar Yaghan in London zu zivilisieren – sprich sie wurden entführt. Einer von ihnen wurde unter dem Namen Jemmy Button weltbekannt, und wurde Vorbild für eine Figur, die Anhänger der Augsburger Puppenkiste zu Genüge kennen… Eine Insel mit zwei Bergen… Das Zivilisieren hat Partiell auch geklappt, Jemmy hat allerdings dann im reiferen Alter ein kleines Massaker angerichtet – davon erwähnt die Puppenkiste aber nix. Naja, das Schicksal der Yaghan ist geradezu tragisch. Um sie vor der Kälte zu schützen, gab man ihnen Kleidung, da diese aber bei dem Wetter nur langsam trocknet und Hort für Krankheitserreger war dauerte es keine 150 Jahre und das Volk war ausgerottet. Heute spricht nur noch ein Mensch diese Sprache.
Nachdem ich mich kulturell etwas weitergebildet habe, nutzte ich das bombastische Wetter für einen Rundflug in einer kleinen Piper. Schneebedeckte Gipfel meilenweit, ich Versuch gar nicht erst die Eindrücke zu schildern. Die letzten 10 Minuten durfte ich dann Hand ans Steuer legen, kann ja nix passieren – die Landung wurde mir dann aber doch nicht zugetraut. Genug für einen Tag.



Am nächsten Tag zunächst ausgeschlafen. Nach dem Mittagessen mit einem holländischen Pärchen gings zum Almacon Rames Generales, einem antik-eingerichteten Cafe. Es war bereits Nachmittag, also stand dem Genuss der ersten Biere nichts im Weg. Hier unten brauen sie tatsächlich verschiedene Biersorten. Da ich nicht genau wusste, welches das am Südlichsten gebraute Bier war, musste ich auf Nummer Sicher gehen und alle testen. Der Geschmack war interessant, etwas rauchig. Ein Bier was man im Urlaub trinken kann – importieren werde ich es sicher nicht. Vorm Bootstrip noch bei zwei Reiseagenturen vorbeigegangen. Wollte noch herausfinden, ob ich mir eine Antarktiskreuzfahrt gönne – wenn man schon mal da ist. Ernüchterung! Unter 4.500 Euro für 2 Wochen kommt man nicht ran. Dies ist über der Schmerzgrenze, das Geld wird in Caipi investiert!

Auf dem Katamaran einen Traveller aus den USA kennengelernt. Adam Siegel, jüdisch, Bienenforscher und gerade seinen Doktor in Biologie gemacht. Interessantes Thema: Fortpflanzungsorgane bei Hummeln. Noch ein Hummel-Killer in meinem Bekanntenkreis! Nach seinen Trip geht’s nach Jerusalem. Morgen geht’s mit ihm in den Nationalpark – hoffentlich gibt’s da keine Hummeln! Armen Viecher! Auf dem 4-Stunden-Trip über den Beagle Kanal neben Vögeln auch Seelöwen und Pinguine besucht. Die Kolonie ist aktuell noch nicht so groß. Aber die paar die da waren sorgen schon direkt für ein Schmunzeln auf den Lippen – „Madagaskar“ lässt grüßen.
Aktuell befinden sich nur Männchen auf der Insel. Sie sind die Vorhut die meisten anderen Männchen und die Weibchen kommen erst später nach (alleine würden die Mädels wohl kaum den Weg finden, man stelle sich nur vor, die biegen einmal falsch ab?“). Für Eifersucht ist kein Platz, als Pinguin lebt man monogam. Zuhause angekommen schnell meine Sachen zusammen gepackt, morgen früh zunächst klären wohin es als nächstes geht (wahrscheinlich Puerto Natales in Chile) und nen Bus für morgen abend klarmachen. Danach in den Nationalpark. Von jetzt an geht’s nur noch nach Norden...

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