Nach dem letztendlich erfolglosem Warten am Gepäckband geht
es frustriert durch den Zoll, wo ich erneut aufgehalten werde – die rabiate
Dame gibt mir zu verstehen, dass es nicht sein könne, dass ich ohne Gepäck hier
durchgehe, wenn ich aber mit Gepäck geflogen bin... Ich bin nicht wirklich in
der Laune für solche Sperenzchen, grundsätzlich gebe ich ihr aber
recht – sie darf sich sehr gerne bei Air France beschweren!
Außerhalb wartet Javier auf uns. Er ist ein kubanischer
Freund eines Arbeitskollegen, der sich in den nächsten Tagen etwas um uns
kümmern wird. Mit einem Privattaxi
fahren wir in die Altstadt Havannas, wo wir die kommenden Tage in einer Casa
Particular verbringen werden. Seit einigen Jahren ist es Kubanern erlaubt,
Zimmer in ihren Wohnhäusern an Gäste zu vermieten, um so an die begehrten
Devisen zu kommen. Über Andy, einem Freund aus London, den Nick und ich vor 7
Jahren in Brasilien getroffen haben, wird uns die Casa Yamir empfohlen, die
sehr günstig in der Altstadt gelegen ist. Mit Javier gehen wir noch kurz was
essen und die ersten Bierchen zischen. Die Auswahl ist reichlich. Essenstechnisch
beschränkt sie sich meist auf Fisch, Huhn und Schwein, Reis und Bohnen. Als
Biere stehen das helle Cristal und das dunkle Buquanero zur Auswahl. Und
natürlich immer wieder: Mojitos! Der Abend wird nicht lang, aber doch sehr
unterhaltsam – eine Band sorgt für die Begleitmusik... der Ärger über den
fehlenden Rucksack verfliegt.
Dank Zeitverschiebung wird die Nacht unruhig, gegen 4 Uhr
weckt uns das Krähen eines Hahns – in einer Millionenstadt! Zu Fuss erkunden
wir die Altstadt, während Yamir halbstündlich bei Air France anzurufen, um
Informationen zu meinem Rucksack zu erhalten. Leider ohne Erfolg, weil keiner
ans Telefon geht. Wir werden daher in den kommenden zwei Tagen noch zweimal mit
dem Taxi zum Flughafen fahren, bis ich endlich den Rucksack erhalte – Air
France wird das in ihrem Antwortschreiben später als „Sekundärkosten“
bezeichnen, die sie nicht erstatten müssen. Mein Fehler! Wer fliegt schon Air
France ;)
Gegen den wieder aufkommenden Ärger (kein Rucksack, kein
Auto) hilft am Nachmittag die erste Zigarre und einige Bier. Bei uns hat das
Jetlag zugeschlagen, ein kurzes Erholungsschläfchen vorm Abendessen endet nach
Mitternacht. Richtig touristisch wird es erst am Folgetag – Besuch des alten
Forts, welches die Hafeneinfahrt La Habanas beherrscht und die Stadt zur
bestbeschütztesten in der gesamten Karibik machte. Die alten Anlagen, die in
der Revolution kampflos übergeben wurden, strahlen eine enorme Ruhe unweit der
hektischen Stadt aus. Unweit des Forts gibt es ein Freilichtmuseum, welches die
Überlegenheit des kubanischen Militärs zu Schau stellt – der Flügel eines in
der Kuba-Krise abgeschossenen US Air Force Aufklärers spricht eine deutliche
Sprache.
Weiter geht’s zur Jesus Statue und nach einigen Fotos mit
einem alten Seelenverkäufer quer durchs verschmutzte Hafenbecken zurück in die
Altstadt. Witzig ist, dass wir uns vorm Einstieg aufs Schiff einer
Sicherheitskontrolle unterziehen müssen. Vor Jahren haben einige Kubaner
versucht, dieses „Schiff“ zu entführen, um die Reise nach Flordia anzutreten.
Verdammt mutig! Vom Wasser aus erhält man einen guten Einblick auf die
Hafenanlagen, die ihre Blütezeit auch schon einige Jahrzehnte hinter sich
haben. In aller Ruhe können alte Angler von alten Stegen aus, ihr Abendessen
beschaffen, während die Kontore hinter ihnen immer weiter verfallen. Ohnehin
sieht man der gesamten Stadt an, wie der Zahn der Zeit an ihr nagt und was nach
50 Jahren ohne Investitionen pasiert.
Dafür prangern monströse Plakate die Fortentwicklung des
Sozialismus an und geißeln das Embargo als den größten Genozid der Menschheit –
auf den Straßen hört man zwischen den Zeilen vielfach das Murren des Volks.
Beides nicht wirklich spektakulär, aber
gut um sich zu aklimatisieren und eine echte Alternative zu Havanna. Zurück in
der Stadt gehen wir noch eine Kleinigkeit essen und treffen auf Rike und Dolo,
zwei Schwestern aus Norddeutschland. Aus einem kleinen Mojito werden schnell
noch einige mehr, es wird ein witziger Abend und keiner kommt wirklich nüchtern
zurück. Vernünftiger Ausklang nach verkorkstem Start – trotzdem wird es Zeit,
dass wir weiter kommen.
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