Sonntag, 22. Februar 2015

Erste Tage in Havanna


Nach dem letztendlich erfolglosem Warten am Gepäckband geht es frustriert durch den Zoll, wo ich erneut aufgehalten werde – die rabiate Dame gibt mir zu verstehen, dass es nicht sein könne, dass ich ohne Gepäck hier durchgehe, wenn ich aber mit Gepäck geflogen bin... Ich bin nicht wirklich in der Laune für solche Sperenzchen, grundsätzlich gebe ich ihr aber recht – sie darf sich sehr gerne bei Air France beschweren!

Außerhalb wartet Javier auf uns. Er ist ein kubanischer Freund eines Arbeitskollegen, der sich in den nächsten Tagen etwas um uns kümmern wird.  Mit einem Privattaxi fahren wir in die Altstadt Havannas, wo wir die kommenden Tage in einer Casa Particular verbringen werden. Seit einigen Jahren ist es Kubanern erlaubt, Zimmer in ihren Wohnhäusern an Gäste zu vermieten, um so an die begehrten Devisen zu kommen. Über Andy, einem Freund aus London, den Nick und ich vor 7 Jahren in Brasilien getroffen haben, wird uns die Casa Yamir empfohlen, die sehr günstig in der Altstadt gelegen ist. Mit Javier gehen wir noch kurz was essen und die ersten Bierchen zischen. Die Auswahl ist reichlich. Essenstechnisch beschränkt sie sich meist auf Fisch, Huhn und Schwein, Reis und Bohnen. Als Biere stehen das helle Cristal und das dunkle Buquanero zur Auswahl. Und natürlich immer wieder: Mojitos! Der Abend wird nicht lang, aber doch sehr unterhaltsam – eine Band sorgt für die Begleitmusik... der Ärger über den fehlenden Rucksack verfliegt.

Dank Zeitverschiebung wird die Nacht unruhig, gegen 4 Uhr weckt uns das Krähen eines Hahns – in einer Millionenstadt! Zu Fuss erkunden wir die Altstadt, während Yamir halbstündlich bei Air France anzurufen, um Informationen zu meinem Rucksack zu erhalten. Leider ohne Erfolg, weil keiner ans Telefon geht. Wir werden daher in den kommenden zwei Tagen noch zweimal mit dem Taxi zum Flughafen fahren, bis ich endlich den Rucksack erhalte – Air France wird das in ihrem Antwortschreiben später als „Sekundärkosten“ bezeichnen, die sie nicht erstatten müssen. Mein Fehler! Wer fliegt schon Air France ;)

Gegen den wieder aufkommenden Ärger (kein Rucksack, kein Auto) hilft am Nachmittag die erste Zigarre und einige Bier. Bei uns hat das Jetlag zugeschlagen, ein kurzes Erholungsschläfchen vorm Abendessen endet nach Mitternacht. Richtig touristisch wird es erst am Folgetag – Besuch des alten Forts, welches die Hafeneinfahrt La Habanas beherrscht und die Stadt zur bestbeschütztesten in der gesamten Karibik machte. Die alten Anlagen, die in der Revolution kampflos übergeben wurden, strahlen eine enorme Ruhe unweit der hektischen Stadt aus. Unweit des Forts gibt es ein Freilichtmuseum, welches die Überlegenheit des kubanischen Militärs zu Schau stellt – der Flügel eines in der Kuba-Krise abgeschossenen US Air Force Aufklärers spricht eine deutliche Sprache.




Weiter geht’s zur Jesus Statue und nach einigen Fotos mit einem alten Seelenverkäufer quer durchs verschmutzte Hafenbecken zurück in die Altstadt. Witzig ist, dass wir uns vorm Einstieg aufs Schiff einer Sicherheitskontrolle unterziehen müssen. Vor Jahren haben einige Kubaner versucht, dieses „Schiff“ zu entführen, um die Reise nach Flordia anzutreten. Verdammt mutig! Vom Wasser aus erhält man einen guten Einblick auf die Hafenanlagen, die ihre Blütezeit auch schon einige Jahrzehnte hinter sich haben. In aller Ruhe können alte Angler von alten Stegen aus, ihr Abendessen beschaffen, während die Kontore hinter ihnen immer weiter verfallen. Ohnehin sieht man der gesamten Stadt an, wie der Zahn der Zeit an ihr nagt und was nach 50 Jahren ohne Investitionen pasiert.
Dafür prangern monströse Plakate die Fortentwicklung des Sozialismus an und geißeln das Embargo als den größten Genozid der Menschheit – auf den Straßen hört man zwischen den Zeilen vielfach das Murren des Volks.

Uns gefällt die Stadt nicht besonders, es ist zu laut, zu voll und wir hätten ja auch schon längst weiter gewollt. Für Sonntag nehmen wir uns wieder ein Privattaxi und fahren gen Westen, raus aus der Stadt. Erstes Ziel ist der Mirador de Venus, ein Aussichtspunkt, von welchem man an klaren Tagen sowohl die nördliche Küste als auch die südliche überblicken kann – es war kein klarer Tag... Aber die Bewegung tut gut und die Aussicht war auch so nicht zu verachten. Nach dem Abstieg legen wir noch einen Abstecher zu einem kleinen Wasserfall in der Nähe und einem Orchideengarten ein.


Beides nicht wirklich spektakulär, aber gut um sich zu aklimatisieren und eine echte Alternative zu Havanna. Zurück in der Stadt gehen wir noch eine Kleinigkeit essen und treffen auf Rike und Dolo, zwei Schwestern aus Norddeutschland. Aus einem kleinen Mojito werden schnell noch einige mehr, es wird ein witziger Abend und keiner kommt wirklich nüchtern zurück. Vernünftiger Ausklang nach verkorkstem Start – trotzdem wird es Zeit, dass wir weiter kommen.





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