Mittwoch, 15. Februar 2012

Shake hands mit Pablo´s Bruder

Medellin – dass es mir die Stadt angetan hat, lässt sich leicht feststellen… Ich bin mittlerweile seit knapp zwei Wochen hier und es wird nicht langweilig. Die Weltöffentlichkeit verbindet Medellin weitestgehend mit einem Namen: Pablo Emilio Escobar Gaviria! El Patron des gefürchteten Medellin-Kartells. Ein Freund aus der Schweiz hatte mir zu einer Tour geraten, die ich heute kurzerhand gebucht habe. Während der gesamten Fahrt durften wir uns das Video „The two Escobars“ reinziehen, welches einige Hintergründe aber auch Erinnerungen aufzeigte. Neben Pablo ist der zweite Escobar ein gewisser Andres. Den älteren wird diese arme Seele mit einem Ereignis in Erinnerung sein – beim letzten Gruppenspiel der kolumbianischen Nationalmannschaft besiegelte er mit einem Eigentor das Ausscheiden seines Teams bei der WM 94 in den USA! Was zu seinem gewaltsamen Tod einige Tage später führte. Diese Erinnerung war mir durchaus noch präsent, was ich nicht wusste war, dass bereits nach der Auftaktniederlage gegen Rumänien der Bruder eines Spielers ermordet wurde. Der Sohn eines anderen Spielers wurde entführt und tauchte später unversehrt wieder auf. Zudem wurde mit Morddrohungen gegen die Spieler enormer psychischer Druck ausgeübt. Und das ganze war 1994, ein halbes Jahr nach dem Tod Pablos – Kolumbien versank in purer Gewalt!
Wir erreichen unsere erste Anlaufstelle, eines der etwa 200 Häuser, die Pablo in Medellin besessen hat. Die Polizei wusste lange nichts über dieses Gebäude, dafür aber das verfeindete Cali-Kartell – eine Bombe hat einigen Schaden angerichtet. Bis heute verwahrlost das Haus, relativ unspektakulär. Während wir zum Friedhof fahren, wird weiter die Hintergrundgeschichte zu Pablo im TV geschaut. In den ersten Jahren hat er sich noch mit Hehlerei durchgeschlagen, stieg mit dem forcierten Kokain-Handel aber zu einem der reichsten Menschen der Welt auf. Mit zunehmendem Reichtum, engagierte er sich für die Armenviertel – es wurden u.a. Fussballplätze gebaut auf denen viele spätere Nationalspieler ihr Handwerk lernten. Dies erklärt einerseits seinen Rückhalt bei der armen Bevölkerung, aber auch seine Freundschaft zu vielen kolumbianischen Fussballern, die er von Kindesbeinen an unterstützt hat. Später übte er seinen Einfluss auf den ortsansässigen Fussballverein National Medellin aus (hat übrigens gestern gegen Universidad Chile in der Copa de Libertad mit zwei sehenswerten Toren gewonnen). Die Spieler und Verantwortlichen wurden mit bar bezahlt – prima Geldwäsche! Die Mannschaft konnte in der Folgezeit einige Erfolge u.a. den Gewinn der Copa de Libertad verfolgen. Die Gründe hierfür: Gute Spieler konnten gehalten werden – „schlechte“ Schiris erschossen werden! (Gegen Medellin wäre nie im Leben ein Elfer wie am Montag gegen die Eintracht gepfiffen worden!)
Wir kommen am Friedhof an, da liegt er neben Mutter, Bruder, Onkel und Leibwächter, der taggleich mit ihm Ende 1993 erschossen wurde. Recht wenig Besucher – bei seiner Beerdigung waren immerhin 20.000 anwesend… er war Held der Armen! Weiter geht’s zu einem seiner früheren Anwesen… In der Zwischenzeit erfahren wir, dass Pablo mit zunehmendem Reichtum und Einfluss auf die Bevölkerung auch ins Parlament gewählt wurde, wo er sich gegen ein Gesetz zur Auslieferung an die USA einsetzte. Dort wunderte man sich über seinen Reichtum, immerhin haben sich Jahre zuvor 97% des Vermögens gerade mal auf 10 Familien verteilt. Eine Untersuchung ergab, dass er in Drogenhandel verstrickt war. Durch ein Amtsenthebungsverfahren – betrieben durch den damaligen Justizminister – wurde seine Immunität aufgehoben und der Posten des Ministers musste recht bald neu besetzt werden. Nicht gerade eine Win-Win-Situation.
In der Folgezeit überzog Pablo das Land mit Terror. Er kämpfte quasi außerparlamentarisch weiter gegen eine drohende Abschiebung (Lieber ein Grab in Kolumbien als eine Zelle in den USA!). Keiner war wirklich sicher, Politiker, Polizisten, Schiris… Auf beliebige Polizisten in Medellin wurde ein Kopfgeld von 500-1000 Euro bezahlt. Blut, Tod, Terror an der Tagesordnung. Politiker begannen sich zunehmend für die Ideen Pablo´s zu begeistern – lag eher daran, dass sie noch weiterleben wollten. Jedenfalls stellte sich Pablo der Polizei, nachdem sichergestellt wurde, dass er nicht ausgeliefert wird und er sich sein eigenes Gefängnis hat errichten lassen… Pools, Fussballplätze und die Maßgabe, dass Polizisten das Gebäude nicht betreten durften. Er lud auch weiterhin seine Freunde zu Parties ein oder er beorderte Drogendealer ein, die er auch schon mal vor Ort ermorden ließ.
Naja, jedenfalls war es zunehmend mehr einflussreichen Kräften ein Dorn im Auge, dass Pablo immernoch wie ein König lebte. Der Plan ihn in ein anderes Gefängnis zu verlegen scheiterte – er wurde gewarnt, die Flucht war ja leicht. Mit US-Technologie wurde am 02.12.1993, einem Tag nach seinem Geburtstag, sein Telefon abgehört und damit der Standort ermittelt. Ob er letztlich von der Polizei erschossen wurde oder seinem Leben selbst ein Ende bereitet hat, ist nach wie vor nicht 100%ig geklärt… Jedenfalls ist er tot und sein Tod sorgte nochmal für einen Ausbruch der Gewalt.

Wir jedenfalls kommen an einem seiner früheren Rückzugsorte an und werden von seinem Bruder Roberto in Empfang genommen. Der Gutste saß 11 Jahre ein, er war für die Finanzen des Kartells verantwortlich. Hören und sehen tut er nicht mehr so gut, einige Wochen nach dem Tod seines Bruders bekam er explosive Post. Das Haus dient heute als Museum. Wir können Exponate wie eines der ersten Autos von Pablo in Betracht nehmen. Aber auch Fotos mit einem Motorrad (ein Geschenk Frank Sinatras) zieren die Wände. Ein Teil der Erlöse der Tour gehen an wohltätige Einrichtungen, nach 11 Jahren Knast möchte Pablo´s Bruder der Gesellschaft etwas zurück geben. Das Haus hat auch eine blutige Vergangenheit. Im letzten Jahr versuchten 4 Kriminelle Pablos Bruder zu entführen, er wurde vorgewarnt. Als die Kids einbrachen fanden sie lediglich die Polizei vor. Schusswechsel, 3 Tote Gangster und einige Kugeln in Wand, Fenster und Sofa.

Abschließend kann ich dann noch eine Gemeinsamkeit mit Pablo klären: Wir haben beide noch nie gekokst – wenn das nicht verbindet?

Samstag, 11. Februar 2012

Rio Claro

Couchsurfing macht echt Spass, man hat eine gemütliche Couch, lokale Menschen um einen herum und die Abende werden in der Regel lang. Zu Wochenbeginn geht´s auf kleine Städtetour mit der nach eigenen Aussagen „weltschlechtesten Fremdenführerin“ – obwohl Estefania Tourismus studiert, hat sie Wort gehalten. Nichtsdestotrotz konnte ich mir ein kleines Bild von der Innenstadt machen, nette Parks mit Skulpturen eines weltbekannten Künstlers, dessen Namen ich vergessen habe. Eine der Skulpturen, die in der Regel dicke Menschen und Tiere darstellt, ist aufgesprengt – Pablo Escobar hatte hier vor Jahren eine Bombe platzieren lassen und einige Dutzend Menschen in den Tod gerissen. Heute fungiert der Platz als Gedenkstätte.
Tags darauf bin ich etwas auf mich allein gestellt, mich zieht es in den botanischen Garten, Buch und Lonely Planet zur Hand, um einfach etwas zu entspannen und die weiteren Schritte zu organisieren. Das Telefon klingelt, Marc ist am Apperat und will sich auf ein Bier treffen. Der Kalifornier, dem man sein Alter von 41 Jahren wahrlich nicht ansieht (ich hab mir den Ausweis zeigen lassen), verschlägt es seit 5 Jahren jeweils für einige Monate nach Kolumbien. Wird ein netter Abend, den wir in einem kleinen Park, der vornehmlich von Hippies und Travellern besucht wird, bei ein paar Kaltgetränken ausklingen lassen. Zurück bei Estefania gibt es schlechte Neuigkeiten. Die kleine hatte ich ja seinerzeit in Santiago kennengelernt, dummerweise hat sie sich kurz vor ihrer Rückkehr einen Freund angelacht. Gut kann man nix machen. Sie ist ne ehrliche Haut und erzählt ihm, dass ich bei ihr in der Bude penne, was zu kleineren Eifersuchtsdramen führt. Eine kleinere Recherche meinerseits (Facebook) führte zu Tage, dass der Chilene und ich nicht nur einen gemeinsamen Freund haben, sondern drei… Rudolfo, mein Kumpel aus Santiago, ist sein bester Freund – die Welt ist verdammt klein. Eigentlich war angedacht, dass Estefania und ich zusammen für zwei Tage einen kleinen Abstecher zum Rio Claro machen, der Eifersucht war jedoch nicht beizukommen, also mache ich mich tags darauf am Morgen alleine Richtung Busbahnhof auf. Nachdem ich jetzt 6 Wochen eigentlich fortwährend in Begleitung von Freunden gereist bin, muss ich echt gestehen, dass das Gefühl etwas komisch war – bin echt verweichlicht! ;)
Anstelle von 3 Stunden benötigen wir 3,5 Stunden (geplatzter Reifen im Gegenverkehr – irgendwas ist halt immer!). Der Busfahrer lässt mich irgendwo im Nirgendwo raus, meine Brille beschlägt direkt. Einem Schild folgend mache ich mich zu Fuss in Richtung Cabanas Rio Claro. Es hat den ganzen Tag geregnet, der Boden ist schlammig und die ersten Blicke auf den Fluss sind eine Enttäuschung. Anstelle von klar wandere ich entlang einer braunen Brühe. An der Rezeption treffe ich auf zwei Mädels, die in ihren Ferien in dem Resort arbeiten. Dina und Ladi sprechen nur spanisch, sind aber mit ihrer witzigen, offenen Art der reinste Spass.
Ich bekomme noch ein Zimmer, der preis von knapp 30 Euro (Vollpension) ist zwar etwas teurer, aber vertretbar. Vor Einbruch der Dunkelheit gehe ich noch ein bisschen wandern und treffe auf eine Gruppe Ornithologen (Amis, alt und völlig begeistert, wenn etwas gefiedertes aus der Höhle fliegt). Nach dem Abendessen, welches ich mit zwei weiteren Deutschen verbracht habe, bin ich gegen 21 Uhr der letzte Gast im Speisesaal – es ist einfach zu früh, um schlafen zu gehen. Zu mir gesellt sich Luiz, der Führer der Vogel-Bingo Gruppe. Er hat ein eigenes Unternehmen gegründet und sich auf solche Gruppen spezialisiert, die er dann 2-3 Wochen durch Kolumbien begleitet. Zu viert, die beiden Mädels von der Rezeption haben auch nichts mehr zu tun, wird der Abend bei Bier und Ananas noch etwas länger.
Am nächsten Morgen wache ich früh auf, lag nicht am Wecker, sondern am zirpen und singen der Insekten und Vögel sowie am allgegenwärtigen Rauschen des Flusses. Auch wenn ich sicherlich gleich hätte aufstehen können, habe ich es noch genossen, im Halbschlaf etwas liegen zu bleiben. Der Himmel ist blau, vorm Frühstück zieht es mich noch runter an den Fluss und tatsächlich, der Pegel hat um etwa einen Meter abgenommen und das Wasser schimmert in einem grünlichen, klaren Ton in der Sonne. Nach der Stärkung geht es auf eine Rafting-Tour. Vom Schwierigkeitsgrad absolut nicht anspruchsvoll lassen wir uns die meiste Zeit durch die grüne Dschungellandschaft treiben und beobachten Vögel, Libellen und Schmetterlinge.
Beinahe geht ein Mann über Bord, als wir unvermittelt auf einen Stein auflaufen und hängen bleiben… Nach einer Minute gelingt es uns dann aber das Boot wieder frei zu bekommen. In der Ferne ragen kahle Mamor-Hügel in den Himmel hinauf, dieser Part gehört nicht zum Naturschutzgebiet und wird daher von Firmen abgebaut. Überhaupt ist das Rio Claro Resort kein normales Naturschutzgebiet, sondern vor Jahren auf Initiative einer reichen Familie entstanden – wie man an das Geld gekommen ist, um dieses Stück Natur aufzukaufen, sei mal dahin gestellt. „Koksen für den Naturschutz!?“ Drei Stunden geht die Tour insgesamt, immer wieder unterbrochen, um uns mit einem Sprung ins (gar nicht mal so) kalte Nass, abzukühlen. An einer Kurve hat das Wasser eine Höhle in das Gestein eingefräst. Dieser Überhang ist gleichzeitig eine Art Tropfstein-Höhle, an den Stalagniten (oder sind es Stalagtiten, ist ja auch egal eigentlich, jedenfalls) haben sich vereinzelte Pflanzen niedergelassen, die dem Ganzen eine recht bizarre Form geben.
Nach dem Mittagessen geht es auf Höhlenbesichtigung. Zunächst 20 Minuten den Fluss entlang, dann wird an einem Seil dieser überquert – gut, dass ich Kamera und Taschenlampe in eine Plastiktüte verstaut habe. Auf der anderen Flussseite befindet sich der Dschungel (übrigens, das einzige deutsche Wort, welchem alle drei Artikel vorangestellt werden können – bisschen klugscheißen tut auch gut), wie er ursprünglich war. Diese Impression festzuhalten gestaltet sich recht schwierig, auf den Bildern sieht man nur eine grüne Wand. Man kann sich sehr gut vorstellen, wie aussichtslos die Suche einiger Forscher nach verlorenen Städten war. Auf eine Distanz von 10 Metern sieht man einfach nichts mehr.
Unseren Weg kreuzen Herrscharen von Blattschneider-Ameisen, sowie große schwarze Ameisen, vor denen wir uns in Acht nehmen sollen. Früher haben die Ur-Einwohner diese Viecher genutzt, um Wunden zu nähen. Man nehme eine Ameise, halte sie so an die Wunde, dass zubeißt und die offene Stelle etwas zusammenzieht. Dann drehe man ihr den Kopf ab und suche die nächste Ameise! Hab ich mal in nem Film gesehen, aber nicht so recht glauben wollen. Nach etwa einer Stunde erreichen wir die Höhle. Das Wasser hat in tausenden von Jahren wellenförmige Formen in den Stein gewetzt.
Als ich an die Wand leuchte, fällt der Schein direkt auf eine etwa handteller-große Spinne. Na super, wo eine ist, sind mehrere – also immer schön aufpassen, wo man sich abstützt. Die nachtaktiven Vögel, die an der Decke hausen, sind über unsere Ankunft nicht erfreut. Ein gefährlich anmutendes Fauchen schlägt uns entgegen. Sie anzuleuchten ist uns verboten, lediglich ab und an tauchen die etwa tauben-großen Vögel in unserem Licht direkt über unseren Köpfen auch. Die ganze Szenerie erinnert mich an Star Wars, als Han Solo und seine Schnitte auf der Flucht vorm Imperium vermeintlich in einer Höhle Unterschlupf finden und von Mynoks belästigt werden.
Gut, Laser-Kanonen haben wir keine, dafür stehen wir brusttief im Wasser und es handelt sich tatsächlich um eine Höhle und nicht um den Magen eines riesigen Wurms. Wie auch immer, an einer Stelle wird aus dem Tunnel ein riesiger Raum. Lampen aus, hinsetzen und die Klappe halten. Ich halte mir mit einer Hand ein Auge zu und sehe nicht mal einen Schatten – die totale Dunkelheit. Die letzten Meter muten wie ein Wasserpark an, man steigt über mehrere Rutschen ins Wasser hinab und taucht bei den Sprüngen komplett unter. Insgesamt eine sehr lohnenswerte Erfahrung.
Abends trinke ich noch ein Bierchen mit Sander und Sergio (Holland und Kolumbien, studieren zusammen in Belgien), zolle aber der Anstrengung des Tages recht bald Tribut und verabschiede mich ins Bett. Morgens bin ich bereits früh wach, der Himmel ist blau, die Viecher veranstalten ihr Konzert. Nach dem Frühstück geht’s zum Canopy. An drei Stahlseilen schwingen kreuzen wir in 5-8m Höhe den Flusslauf. Sowas macht echt Spass! Während die beiden Jungs sich auf ihre Rafting-Tour machen, marschiere ich den Rio Claro flussaufwärts. Nach der ersten Viertelstunde wird der Weg fordernder. Über Steine und Äste geht es weiter. Die Idylle ist der Wahnsinn und ich stoppe immer wieder, um Fotos zu machen. Man hat das Gefühl, komplett allein unterwegs zu sein. Nach etwas mehr als einer Stunde wird mir der Weg zu gefährlich, die Steine sind dünn und rutschig – man muss es nicht übertreiben. Zudem blicke ich immer zweifach in die Steinritzen, an denen ich mich festzuhalten gedenke, nachdem ich morgens in einer eben solchen einen Skorpion entdeckt habe.
Nachmittags nehmen mich die beiden wieder mit zurück nach Medellin. Der Abstecher hat sich mehr als gelohnt! Zudem hat sich bei mir der Gedanke verfestigt, dass ich nicht mehr bis an die Karibikküste reisen werde. Erstens hatte ich schon seit Tagen das Gefühl, dass der Rest der Reise quasi festgeplant ist – was sie als recht kurz erscheinen lässt. Zweitens würde ich wieder ca. 14-16 Stunden im Bus sitzen, was mich einschl. Rückfahrt zwei Tage kosten würde. Und wenn ich schon an der Karibikküste bin, möchte ich neben dem Strand sicherlich auch die Ciudad Perdida (verlorene Stadt) besichtigen. Der Trip dahin bedeutet weitere 5 Tage Aufwand. Also: Tempo rausnehmen, noch eine Woche in Medellin verbringen und die Umgebung kennenlernen bzw. vielleicht doch noch einen Spanischkurs belegen. (Und in Gedanken die nächste Kolumbien-Reise planen – genügend Ideen hierfür hätte ich jedenfalls ;) )

Montag, 6. Februar 2012

Salsa, Zoo, Silicon Valley und Zeugen Jehovas

Nach der Horrorbusfahrt war der Einstieg von erhöhter Lethargie geprägt – ich war tierisch müde, das Wetter schwül, man kanns ja mal langsam eingehen lassen. Nachmittags geht’s ins Einkaufszentrum Chipie-Chapie, welches im Volksmund auch als Silicon Valley bekannt ist – Catwalk der frisch operierten! Ob jung, ob alt, hier hat die Schwerkraft keine Macht über die Körper… Cali ist laut Lonely Planet die Welthauptstadt für Schönheits-OPs. Nachdem die wichtigsten Einkäufe erledigt waren (SIM-Karte und mittlerweile das 4. Paar Flip Flops), werden Sebastian und ich von unsichtbarer Hand in einer Bar in der Mitte des Zentrums geführt, die Hooters spielend hätte Konkurrenz machen können.
Abends geht’s dann trotz Müdigkeit ins Disco-Viertel. Erste Anlaufstelle eine Salsa-Disco, geile Musik (leider vom Band), heiße Rhythmen – nicht nur das Auge ist erfreut. Weiter geht’s in eine eher westliche, gut besuchte Bar mit Live Musik – die letzten Absacker, um 3 Uhr lieg ich im Bett. Sonntags steht im Zeichen der Erholung, jedoch stehen wir zum Wochenauftakt früh auf. Der angedachte Besuch der Haciendas entfällt wegen Ruhetag, anstelle verschlägt es uns in den städtischen Zoo, der als der beste Kolumbiens angepriesen wird. Beidseitig des Rio Cali gelegen, wartet er mit einem begehbaren Vogel- und Schmetterlingshaus auf und gehört definitiv zu den besten Zoos, die ich jemals besucht habe.
Daneben wird einiges für die Bildung der Bevölkerung getan: Gleich zu Beginn wird man ins Kino gelotst, wo es einen Leitfaden für das richtige Verhalten im Zoo zu sehen gibt, zudem wird die Bedeutung von Wasser und die Artenvielfalt Kolumbiens herausgearbeitet. Alles in allem ein lohnenswerter Besuch, mit kleinen Abstrichen für die Cali-Mücke – war zwar kein Ausstellungsstück, aber allgegenwärtig.

Abends werden wir von Andres – einen Freund, den wir am Cotopaxi kennengelernt haben – in sein Haus eingeladen. Schöne Bude, nette Aussicht, gewaltbereiter Papagei. Bei Bierchen und örtlichen Spezialitäten wird bis spät in die Nacht gequatscht. Beachtenswert sein Hinweis zum Umgang mit künstlicher Oberweite in der Praxis: „Die Mädels werden oft von Narcos gesponsort, schaut sie nicht an, denkt nicht mal dran sie anzuschauen – ihre Kerle sind eifersüchtig und sie diskutieren nicht!“ – das ist gar nicht so einfach. Aber aus Sicherheitsgründen werde ich aber keine Fotos machen.
Dienstags splitten Sebastian und ich unsere Reisegruppe nun endgültig auf. Während es ihn bereits an den Amazonas verschlägt, werde ich es noch ein paar Tage in Cali ruhig angehen lassen (Salsa, Bier, Live Musik mit Andres und anderen). Donnerstags geht es gegen Mittags weiter nach Medellin, wo ich bei Freunden unterkommen soll. Am Busbahnhof werde ich von einer recht jungen Studentin angequatscht,  die auch auf den Weg nach Medellin ist. Nach der Pause, in der ich nochmal ein paar Sätze mit ihr wechsel, geraten wir recht schnell in einen Stau – eine Straßenseite ist weggebrochen und wir verlieren über 4 Stunden. Da wir erst nach Mitternacht ankommen, habe ich meinen Freunden schon mal abgesagt. Am Busbahnhof in Medellin blättere ich im Lonely Planet auf der Suche nach einem Hostel, als ich von einem Mann angesprochen werde, ob ich Hilfe benötige. Stellt sich heraus, dass es sich um den Vater der Kleinen aus dem Bus handelt. Nach kurzer Unterhaltung, in der ich nicht viel verstehe, schnappe ich auf, dass man mich für die Nacht zu sich nach Hause einlädt… Mama hat immer gesagt, ich soll nicht zu Fremden ins Auto steigen – aber es ist Kolumbien, da mach ichs halt mal ;)
In der Wohnung angekommen, bekomme ich ein Abendessen und das Zimmer von Marcella zugeteilt. Ich höre heraus, dass die Familie recht religiös ist, auf dem Nachttisch liegt ein Heftchen mit altem Gemäuer als Titelbild und der Aufschrift „Ayatolla“ – Blick in den Übersetzer: Wachtturm, war ja klar… Am nächsten Morgen gibt es Frühstück, frisches Handtuch und volle Aufmerksamkeit der gesamten Familie. Mir wird angeboten, dass ich doch noch länger bleiben könne, unter schwachem Protest werde ich nach dem Lunch ins Zentrum gefahren, wo ich mir zunächst ein Hotel suche (meine Freunde sind das Wochenende nicht in der Stadt). Nachmittags treffe ich mich mit einer Freundin, die ich in Chile kennengelernt habe. Nach einigen Drinks geht’s in die Calle10, der Partymeile Medellins, ins Blue. Hierbei handelt es sich um eine (Hard)Rock-Disco, Stimmung ist ausgelassen, die Menge tobt sich zu u.a. Nirvana, Offspring, aber auch Rammstein aus. ICH WILL später noch ne Kleinigkeit essen, Estefania und ich kaufen uns noch eine Flasche Aquadiente dazu – diese gibt uns endgültig den Rest! Um 5 Uhr komme ich im Hotel an, der versuch mich auszuschlafen scheitert an der Lautstärke im Hotel. Samstags bin ich am Arsch und taue eigentlich erst gegen 22 Uhr wieder auf – erneut das Blue, erneut geht’s lang… Am kommenden Tag, ziehe ich dann in die Bude von Estefania und ihrem Bruder auf die Couch – mein Hotel war einfach zu laut. Für heute steht eine kleine Städtetour auf dem Plan. Vllt geht’s im Laufe der Woche noch in Richtung Rio Claro – ein idylisches Stück Natur 3 Stunden außerhalb von Medellin.