Dienstag, 22. Dezember 2015

Ein Engel fällt vom Himmel -Tour von Canaima zum Salto Angel

Unser Kanu gleitet durch die schwarze, glatte Wasseroberfläche des Rio Carrao. Das Dröhnen unseres Yamaha Außenborders in den Ohren, spritzt die weiße Gischt an uns vorbei - wenn der Wind günstig steht... Der Wind steht selten günstig und wir werden trotz Regenschutz mächtig nass. Undurchdringliches Grün säumt die Ufer zu beiden Seiten. Immer wieder versuchen Schmetterlinge den Fluss zu überqueren und weichen im letzten Moment der Gischt aus. Nicht allen gelingt es, sie enden als Fischfutter - der Kreislauf des Lebens. Wir sind auf dem Weg zum Salto Angel, dem mit 979m Gesamthöhe der höchste Wasserfall der Welt.

Bereits gestern bin ich in Canaima angekommen. Der Flug in der kleinen Cessna gab einen ersten Vorgeschmack auf das was uns erwartet. Bei der Landung erhasche ich einen Blick auf die palmengesäumte Lagune, in die sich sieben Wasserfälle ergießen. Unser komplettes Camp wird von der dortigen indigenen Bevölkerung, den Pemon, geführt. Nachmittags nehmen uns unsere Guides auf die andere Seite der Lagune. Die kleine Wanderung führt uns zu einem Wasserfall auf der anderen Seite, der Ausblick ist fantastisch und erinnert an die Szene aus König der Löwen, als Simba seinem Volk präsentiert wird. Wasserfälle, weite Steppe und am Horizont türmen sich die Tepuis, die für die Landschaft typischen Tafelberge, steil gen Himmel. Wir wandern zum Fuss des Wasserfalls und haben die Möglichkeit auf Socken hinter die Fälle zu gelangen. Ein feucht fröhliches Unterfangen! Den Wet-T-Shirt Contest haben defintiv unsere beiden Guides Joseline und Fabiola gewonnen ;)


Und jetzt fahren wir also zum Salto Angel. Immer wieder erschweren Stromschnellen die Fahrt, Wellen schwappen in unser Boot... Sorgen aber auch für jede Menge Spaß! Wir biegen in den kleineren Rio Churun ein, das Wasser wird flacher. Vor uns türmt sich der mächtige Auyantepui auf, aus dem der Salto Angel erspringt. Benannt ist der Fall nicht etwa nach den Himmelsgeschöpfen, sondern nach seinem (Wieder-)Entdecker Jimmy Angel, einem Buschpiloten. Keiner wollte seiner Entdeckung glauben schenken, also startete er zu einer zweiten Expedition und landete auf dem Tepui. Dummerweise blieb sein Flieger im Sumpf stecken und Jimmy musste sich 14 Tage lang mühsam einen Weg von diesem Berg suchen. Angesichts der Steilwände sicherlich kein leichtes Unterfangen. Auch wenn alle Welt bis heute vom Salto Angel spricht, wurde dem Wasserfall vor einigen Jahren wieder sein ursprünglicher Pemon-Name Kerepakupai-Meru zugesprochen.

Die letzten Kilometer der Fahrt stampft unser Kanu durch Canon del Diabolo - der Name ist Programm, wir haben mehrfach Kontakt mit den Felsen. Aber in meinen Augen der schönste Abschnitt. Kurz darauf kommen wir an unserem Busch-Camp an. Flip Flops werden gegen die Wanderschuhe getauscht und wir wandern 60 Minuten durch den schwülen Dschungel bergauf zum Aussichtspunkt. Eine schweißtreibende Angelegenheit, die Wasserfalsche leert sich fast von selbst. Ein letzter Felsen noch und der Blick wird endlich freigegeben auf den Salto.

Jetzt zu Beginn der Trockenzeit ist zwar bereits etwas weniger Wasser vorhanden, aber der Anblick ist trotzdem impulsant! Auf ein Foto ist die komplette Fallhöhe kaum komplett drauf zu bekommen - handgestoppte 40 Sekunden benötigt das Wasser von oben, bis es als feiner Sprühregen auf die Felsen trifft. Und alles in der atemberaubenden Schönheit des Canaima-Nationalparks!

Für mich geht ein Traum in Erfüllung. Bereits vor meiner großen Südamerika-Tour vor 4 Jahren habe ich einen dicken Kringel um den Salto Angel gemacht, konnte es damals aber noch nicht realisieren. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht.
Der Abstieg zum Camp ist nicht unbeschwerlicher als der Aufstieg. Im Dschungel wird es schnell dunkel und Erschöpfung verbunden mit rutschigen Steinen fordern ihren Tribut. Die letzten Meter gehen wir in kompletter Dunkelheit. Im Camp wartet eine kalte Dusche und ein leckeres Abendessen auf uns. Der Generator wird um 20 Uhr ausgestellt. Die Nacht verbringen wir in Hängematten - es wird sehr kalt! Ich wache noch vor Mitternacht auf, mein Kopf pocht. Ich will kurz aufs Klo, finde mich dann aber einige 100m weiter am Fluss wieder. Ein paar Glühwürmchen leisten mir Gesellschaft. Zurück in der Hängematte friere ich die Nacht hindurch. Zum Schlafen komme ich kaum, mir geht es wirklich nicht gut. Übermüdet geht es auf den Heimweg. Die Arschbacken schmerzen vom Sitzen auf den Brettern im Kanu - der Ausblick entschädigt.

Kurzes Mittagessen im Basis Camp. Eine neue Gruppe ist morgens angekommen, u.a. ein Holländer, der wie ich versucht auf eigene Faust durch Venezuela zu reisen. Am frühen Nachmittag geht die Cessna zurück; ein letzter Blick auf die Lagune und die Wasserfälle! Canaima ist wahrlich ein Paradies auf Erden.





Cuidad Bolivar - ich war wohl etwas launig ;)




Ich bin wach, bevor der Wecker klingelt - es ist 03:45 Uhr... 30 Minuten könnte ich noch schlafen, aber das wird jetzt auch nichts mehr. Um 05:30 Uhr muss ich am Flughafen sein, 2,5 Std. vor der Abflugzeit - und das bei einem Inlandsflug. Das Einchecken klappt problemlos. Es piept zweimal als ich durch den Scanner laufe, keinen scherts, also gehe ich weiter mit dem mulmigen Gefühl von Sicherheit. Gate 11 steht auf meiner Platzkarte, am Display wird Gate 8 angezeigt, letztlich bringt uns ein Bus von Gate 5 zum Flieger - muss man nicht verstehen, sagt man mir. Eso es Venezuela!
Vor dem Flieger hält unser Bus, die Triebwerke sind geöffnet und Mechaniker machen sich daran zu schaffen... Das mulmige Gefühl verfestigt sich. Wir sollen das nicht sehen und unser Bus fährt zu einem anderen Parkplatz. Etwas später fahren wir zur Maschine einer anderen Gesellschaft. Fliegen wir halt mit der. Musste nicht verstehen. Ist Venezuela!

Die Sicherheitsanweisungen nur auf Spanisch, bin eher der einzige Touri. Vorne über den WC's leutet die Aufschrift "Toiletten besetzt" - war wohl mal in deutschem Besitz die Maschine. Nach der Landung wartet bereits ein Fahrer, der mich die Stunde in die Stadt bringt. Am Rande der Schnellstraße kaufen wir einen Fruchtsalat-Saft-Mix - endlich Frühstück!
Am Nachmittag laufe ich mit leichtem Gepäch (also ohne Pass, wenig Geld und der alten Kamera) die Viertelstunde zum Orinoco. Buntes Treiben herrscht auf den Querstraßen am Fluss, während die eigentliche Promenade recht leer ist. Der Orinoco ist einer der größten Flüsse der Welt und ich bin viel zu faul, das jetzt genauer zu recherchieren. Es gibt nur ein paar wenige Brücken, die den Strom überqueren und am Horizont kann man die allererste ausmachen!

~Auch wenn die Sonne höllisch brennt, hat es was für sich, hier entlang zu flanieren. Im Reiseführer heisst es, die Altstadt könnte für die von Havanna gehalten werden, wenn es nur die alten Autos gäbe... Ich denke mir, die Autos hier sind auch nicht viel neuer. Die ersten Tropfen spüre ich auf den Armen, eine kleine Wolke reicht aus und schon geht es richtig los. Unter dem Vordach eines Hauses spricht mich ein Venezoelaner an, hat mich als Tourist erkannt - verdammt, ich bin echt auf dem Präsentierteller. Wir trinken ein Bier, er hat einen Sohn, der in Köln lebt. Alles sehr gefährlich hier - ich will's nicht mehr hören. Den Rückweg wähle ich so, dass ich an der Plaza Bolivar vorbei komme. Schöne Kathedrale, der Pfarrer stellt seine Schäfchen fürs Krippenspiel auf. Es weihnachtet sehr.


Wo sind die Schäfchen?

Montag, 21. Dezember 2015

Erste Tage in Venezuela - Karibikstrand in Choroni


Was weiß man eigentlich über Venezuela? Wenn man sich im Bekanntenkreis umhört sind das vor allem drei Dinge: 1) Attraktive Frauen - die meisten Schönheitsköniginnen kommen aus Venezuela 2) Eine teuflische Inflation von jenseits 100% 3) eine extrem hohe Kriminalitätsrate - eigentlich wird man schon beim Aussteigen auf dem Flieger direkt entführt. Wenn man dann weiter fragt, wer denn wann schon in Venezuela war, dann wird es schon extrem dünn. Googelt man im Internet nach Reiseberichten ist ie Auswahl auch eher überschaubar: Beeindruckende Karibik-Strände, faszinierende Tier- und Pflanzenwelt - hier herrscht Einigkeit und auf keinen Fall die Kreditkarte nutzen, da gibts nämlich nur den offiziellen Wechselkurs und der ist erbärmlich! Es lebe der Schwarzmarkt, aber bloß keine Blüten andrehen lassen oder womöglich ganz ausnehmen lassen... Das kann ja heiter werden!

Entsprechend bereite ich mich darauf vor und Erwerbe einen innenliegenden Bauchgürtel, um einen versteckten Ort zu haben. Die Kriminellen hier haben davon sicher noch nix gehört ;) Zudem beschaffe ich mir 800 USD in bar, um von den Vorzügen des Schwarzmarkts zu profitieren. Caracas möchte ich vermeiden, also buche ich mich tags vorm Abflug in die Casa Riqui Riqui in Chroni ein. Ulf, der Besitzer, schickt mir einen Fahrer zum Flughafen, der mich die 4 Std. zu dem Strandort fährt. Bereits im Flug wird mir bewusst, dass Venezuela jetzt nicht das klassische Urlaubsland ist - fast ausschließlich Venezuelaner an Bord. Der Landeanflug ist imposant. Die Gebirgskette um Caracas reicht fast bis zum Meer.

Während der Fahrt schlafe ich fast ausschließlich. Choroni bzw. der dazugehörige Hafen Puerto Colombia ist ein recht verschlafenes Nest, das am Wochenende die reiche Jugend aus Caracas anzieht. Meine Posada ist restlos ausgebucht. Nachdem ich mein erstes Geld gewechselt habe - allein das Zählen der Scheine hält uns 10 Minuten auf - wird am nächsten Tag der Ort erkundet, der Strand befindet sich etwa 15 Minuten östlich des Dorfs. Gut erreichbar, aber sonntags noch extrem bevölkert. Die erste sehr üppige Mahlzeit gibt es inkl. Getränke für weniger als 2 Euro. Wasser ist Mangelware, Bier ist günstiger! Ebenfalls Mangelware sind Verhütungsmittel - mehrere noch sehr junge Mädchen tragen mehr oder weniger stolz ihren Schwangerschaftsbauch zur Schau.

Venezuela ist nicht auf Backpacker ausgelegt, schon gar nicht zwischen den Jahren. Ich darf lernen, dass ich meine Touren besser deutlich im Voraus buche. Etwas was mir persönlich aufgrund mangelnder Flexibilität sehr missfällt. Montags fährt mich Ulf etwas in die Berge hinein, wo ich eine kleine Wanderung unternehme. Die Frage, ob ich Regensachen eingepackt habe, belächle ich - ignoranter Touri! Entlang eines Bachlaufs leisten mir nur einige bunte Schmetterlinge und die Geräusche der Tierwelt Gesellschaft. Später geht es durch Graslandschaft einen Hügel hinauf. Auf einem großen Felsen mache ich eine kleine Pause und genieße den Ausblick über den Nebelwald.

Ich döse etwas weg. Als ich aufwache verdunsten einige Regentropfen auf dem heißen Stein - Zeit umzudrehen! Keine 5 Schritte mache ich, als die Tropfen dicker werden! Ein massiver Regenschauer prasselt binnen weniger Sekunden auf mich nieder! Ein hoher Baum mit dichter Blätterkrone bietet mir Schutz - anfangs! Aber nach einer Stunde bin ich völligst durchnässt und wandere talwärts. Den nächsten Tag verbringe ich nochmal am Strand, den ich quasi für mich allein habe. Ich bin der einzige Touri im Ort - wunderschön und doch irgendwie einsam!




Den Strand hatte ich fast für mich allein :)