Sonntag, 3. Januar 2016

Besteigung des Roraima - die verlorene Welt

Team 6 - neben mir sind Uwe, Vincent, Yuko, Nyo und Heike

Es ist Heilig Abend und mir ging es weiß Gott schon besser. Den ganzen Tag schon spielt mein Magen verrückt und seit wir auf diesem schönen Hoch-Plateau angekommen sind, bin ich Stammgast auf dem portablen Klo im grauen Zelt und verpacke fleißig Päckchen! Von meinen Mitreisenden bekomme ich schon alle möglichen Durchfallmittel, nur helfen will keines. Unser Guide Roman alias "Romantico" ist vor 30 Minuten nochmal abgestiegen, um mir die Wurzeln einer Pflanze zu besorgen, die mir helfen soll. Ehrlich gesagt bin ich richtig verzweifelt und setze keinen müden Pfifferling darauf, dass ich am nächsten Tag die letzten 1200 Höhenmeter schaffe.

Gestern sind wir aufgebrochen. Unsere Gruppe setzt sich aus Heike und Uwe, zwei Lehrern an der deutschen Schule in Caracas; Nyo und Vincent, zwei jungen Kanadiern und Yuko, unserer Japanerin zusammen. Nachdem wir uns in Santa Elena gesammelt hatten, ging es mit dem Allrad-Wagen zum Startpunkt, einem kleinen indigenen Dorf mit dem Namen Paraitepui. Die letzten Kilometer wurden wir richtig durchgeschüttelt - sehr zur Freude unseres Fahrers.


Ein kurzes Mittagessen noch und wir setzen uns in Bewegung. 12km auf guten Wanderwegen über sanfte Hügel hinweg bis zum Rio Tec, unser Nachtlager für den ersten Tag. Im Hintergrund türmt sich der Roraima in den Himmel auf - eine dichte Wolke hängt zwischen ihm und seinem Nachbar-Tepui Kukenan. Es ist herrliches Wander-Wetter. Ein spartanisches Bad im Fluss erfrischt uns von den nicht allzu großen Strapatzen des Tages. Unsere Träger kochen leckere Spaghetti Bolognese und während wir essen kommt unser Guide, später als alle anderen, im Camp an. Ein Träger einer anderen Gruppe muss am Berg gestürzt sein und Roman half noch bei der Koordination der Rettungsmaßnahme - Beinbruch!



Morgen-Routine: Zähneputzen und Kaffee

In der Nacht regnet es etwas, Vincent im Nachbarzelt hustet sich die Seele aus dem Leib und ich schlafe recht schlecht. Noch vor Sonnenaufgang stehe ich auf. Nach Kaffee und Frühstück machen wir uns auf den Weg, zunächst einmal müssen wir in kurzer Folge den Rio Töc und den Rio Kukenan überwinden. Während ersterer kaum Knöcheltief ist, merke ich bei letzterem schon, dass mir heute irgendwie die Balance fehlt. Dem Bad im kalten Nass entgehe ich, anders als Uwe, der sich hierbei etwas die Beine aufschrammt. Nach dieser Flussüberquerung geht es nur noch bergauf in Richtung Basislager. Ziemlich schweißtreibend, was die örtlichen Moskitos aber nicht davon abhält an uns ein Festgelage zu veranstalten. Die haben noch nie davon gehört, dass das Moskito-Spray sie abhalten soll - verdammten Hinterweltler.
Vor Sonnenaufgang ist es noch ruhig im Camp
Mein Magen grummelte da bereits bedenklich und ich lass die Gruppe voran gehen, um hinter einem gemütlichen Felsbrocken das zu erledigen, was erledigt werden muss! Verdammte Axt! Die steileren letzten Kilometer schaffe ich mit viel Mühe. Und als es mit meinem Magen immer weiter bergab geht und keines der Mittelchen Wirkung zeigt, kommt Romantico aus der Ebene zurück. Eine braune Wurzel in der Hand verkündet er mir, dass er mir jetzt einen Tee macht, der mir helfen wird. 30 Minuten später bekommen alle heiße Schokolade - ich bekomm ein unscheinbares Gebräu überreicht.
Faszinierendes Licht


Es ist nicht süß, sagt er noch während ich den ersten Schluck nehme. Verdammt bitter. Ich zwinge mich dazu weiter zu trinken und warte darauf, dass sich die beruhigende Wirkung einstellt. Noch bevor ich das Glas vollends austrinke wird mir binnen von Sekunden spei übel. Gerade noch schaffe ich es hinter den nächsten Busch, da beginne ich schon mir die Seele aus dem Leib zu kotzen. Damit hatte ich nicht gerechnet! Auf Nachfrage bestätigt mir unser Guide, dass genau dies die beabsichtige Wirkung sei - hätte er mir auch vorher sagen können! Es gibt einen wunderschönen Sonnenuntergang, bevor bei klarem Himmel der Vollmond über uns aufzieht. Nachts wache ich auf und stelle fest, dass es meinem Magen tatsächlich besser geht. Es geht also auch für mich auf den Roraima!

Etwas entkräftet ist für mich lediglich Ankommen das Ziel, aber auch das wird es heute in sich haben. Es sind nur etwa 4km, aber wir dürfen über 1000 Höhenmeter überwinden. Direkt hinter unserem Lager führt der Weg einen ausgewaschenen Lehmhügel steil in den Dschungel hinein. Auch heute haben wir weitestgehend Glück mit dem Wetter, wenngleich es hin und wieder kurze Schauer auf uns hinabregnet. Ich bin am Ende unserer Gruppe, gehe mein Tempo und führe die meiste Zeit Selbstgespräche. Wir sind vielleicht 1,5 Stunden unterwegs, als wir bereits an der unbezwingbar anmutenden Steilwand des Roraima ankommen. Blickt man nach oben, endet die Sicht einige Hundert Meter über uns direkt in den Wolken. Der Atem geht schneller, die Pausen werden mehr. Die ersten Gruppen kommen uns entgegen, die morgens auf dem Gipfel aufgebrochen sind. Man wünscht sich Feliz Navidad. Es ist der 25. Dezember.

Die letzte Herausforderung heisst La Rampa. Eine Geröllhalde, die sich quer zum steilen Fels den Berg hinauf zieht und ihn dadurch überhaupt nur bezwingbar macht. Ein kleiner Wasserfall trifft etwas oberhalb unseres Weges auf den Boden und überzieht uns mit mal größeren, mal kleineren Tropfen - das T-Shirt ist ohnehin bereits Schweiß getränkt. Mit fortlaufender Distanz fühle ich mich immer besser und hohle meine Gruppe noch vorm Gipfel wieder ein. Oben angelangt gönnt uns Romantico eine kleine Pause, die Sonne kommt raus. Aber schnell drängt er uns zum Weitermarschieren.

Durch ein unwirklich anmutendes Labyrinth aus Wasserlöchern und Felsen findet er unseren Weg zu hoch aufragenden Hügeln, die auf der einen Seite ausgehöhlt sind und uns für die kommenden Tage Schutz vor Wind und Wetter geben werden - die sogenannten "Hoteles". Die Sonne scheint auch noch bei unserer Ankunft, aber schon bei unserer ersten kleinen Erkundungstour am Nachmittag merken wir wie schnell das Wetter umschlagen kann. Wir sind in den Wolken und die sind nur flauschig, wenn man sie aus der Distanz betrachtet. Live sind sie verdammt nass, kalt und bähh.

Blick ins Tal - ganz früh morgens noch Wolken frei



Am nächsten Morgen suche ich noch vorm Frühstück meinen Weg zu einem Felsen, von dem man die einem zu Füßen liegende Savanne bestaunen kann. Yuko, unsere Frühaufsteherin, ist da natürlich schon längst dort. Den Rückweg suchen wir gemeinsam, springen von Stein zu Stein und hoffen, trockenen Fußes zum Frühstück zu kommen. Die Landschaft gibt die perfekte Szenerie wieder für die Szene, in der Frodo mit Gollum auf den Weg durch die Sümpfe irrt. Angeblich sollen aber bestimmte Szenen aus Avatar hier oben gedreht worden sein. Nach der Stärkung führt uns Roman auf Entdeckungstour, es ist wieder hervorragendes Wetter, die Sonne scheint auf die kleinen Tümpel, die sich je nach Wasserstand auch zu kleineren Bächen, samt Wasserfällen formieren.







Es geht durch das Cristal-Vallye - ein Tal, in welchem sich unzählige kleine Kristalle gesammelt haben und für eine ganz eigene Stimmung sorgen. Natürlich ist es strengstens verboten, hier welche mitzunehmen. Unser Guide führt uns zum Window, von welchem man bei klarem Wetter einen hervorragenden Blick auf den Nachbar-Tepui und die Savanne haben soll. So gut das Wetter auch an diesem Tag ist, so schließen uns die tiefhängenden Wolken in unserer eigenen, kleinen mystischen Welt hier oben heute ein. Das Fenster ist geschlossen.

Crystal Valley - unzählige kleine Kristalle säumen den Weg


Aber so klein ist diese Welt hier oben gar nicht mal. Um alles zu Erwandern müsste man Tage mitbringen. Der Roraima befindet sich direkt auf der Grenze zwischen Venezuela, Brasilien und Guyana... Aber auch dieser Triple-Point ist für uns heute zu weit entfernt. Hier oben gedeiht wenig. Einige Pflanzen und Vögel sind allgegenwärtig und manchmal trifft man auf einen kleinen schwarzen Frosch, der nicht springen kann - er krabbelt vielmehr.


Die verlorene Welt - Dinos haben wir trotzdem keine gesehen
Die Berichte über die Erstbesteigung im letzten Jahrhundert sorgten für Euphorie in Europa. Ein von der Rest der Welt getrenntes Hochplateau über den Wolken, inspirierte Sir Arthur Conan Doyle dazu seinen Roman "Die verlorene Welt" zu schreiben, in dem Dinosaurier auf einem abgeschiedenen Plateau überlebt haben. Wir werden heute keine Dinos mehr finden, aber dafür die Yakuzees. Etwas größere Wasserlöcher, in denen man ein arschkaltes Bad nehmen kann. Für mich Weichei fällt das etwas kürzer aus, aber die Katzenwäsche gönne ich mir trotzdem.

Die Erhebung im Hintergrund ist der höchste Punkt des Roraima
Am Nachmittag klettern wir noch auf den mit 2810m höchsten Punkt des Roraima. Leider lässt uns diesmal das Wetter im Stich. Es wird nass und kalt und als wir auf dem Gipfel ankommen, sieht man kaum unseren wenige 100m entfernten Camping-Platz. Tags drauf geht es auch schon wieder zum Abstieg. Dichter Regen weicht uns innerhalb kurzer Zeit richtig auf. Nasse, glitschige Steine erschweren das Fortkommen, trotzdem kommen wir deutlich schneller voran als noch zwei Tage zuvor beim Aufstieg.

Kurz vorm Abstieg - der Kaffee darf nicht fehlen
Als wir nach 2,5 Stunden am Basislager vorbei kommen, ist das Schlimmste bereits überstanden. Trotzdem geht es für uns noch die 10km weiter bis in das Camp vom ersten Tag am Rio Töc. Auch wenn das deutlich leichter geht, werde ich abends das erste Mal Muskelkater spüren. Das ständige Abbremsen bei jedem Schritt geht in die Oberschenkel und Waden. Während es auf den ersten Teil unserer Strecke noch durchgehend geregnet hat, kommt jetzt häufiger die Sonne durch die Wolken und auch die Moskitos freuen sich, uns wieder zu treffen.

Nicht nur Uwe hat der Fluss zugesetzt - auch einer unserer Träger hat zu kämpfen
Trotz des ganzen Regens führt der Rio Kukenan weniger Wasser als beim Aufstieg. Die Überquerung gelingt mir leichter, allerdings darf ich sie auch öfters wiederholen, weil ich etwas zu blöd war, meine Schuhe richtig am Rucksack festzubinden. Ich suche mir nen Wolf im Flussbett und den Stromschnellen, bis ich sie dann letztlich gut getarnt zwischen den Steinen wiederfinde. Gottseidank, den Heimweg in Flip Flops wollte ich mir echt ersparen!


Der 2. Morgen - ich war früh wach und Nyo bereits am Lesen
Unser Camp ist mittlerweile richtig überfüllt! Standen beim Aufstieg nur etwa 15 Zelte sind es jetzt etwa 50! Ich komme mit zwei Amis ins Gespräch, die noch vor einigen Wochen in Kolumbien waren. Und dann von Bogota nach Caracas geflogen sind, weil die Grenze zwischen Venezuela und Kolumbien dicht ist. Verdammt, mein Rückflug geht von Bogota! Und die Jungs sind nicht die ersten die davon Berichten! Abends strahlt der Tepui Kukenan noch mal herrlich im Sonnenuntergang, bevor die Sterne bei klarsten Bedingungen herauskommen.

Schaulaufen am letzten Tag mit unserer Köchin.

Die verbleibenden Kilometer am letzten Tag sind recht harmlos und eignen sich zum Auslaufen, der müden Beine. Leider fehlen etwa 10 Minuten um trocken im Dorf anzukommen und ein letzter Regenschauer setzt mir nochmal richtig zu. Im Dorf selbst kommt dann wieder die Sonne raus. Die nasse Isomatte wird ausgerollt und wir legen uns nochmal in die Sonne, während wir auf unser Taxi warten. Eine junge Brasilianerin - Amanda - spricht mich an, dass das ein schönes Bild sei, wie wir vor den Tafelbergen in der Sonne liegen. Sie wird in den nächsten Tagen sicher noch schönere Bilder machen! Amanda kommt aus Manaus, am Amazonas in Brasilien. Lediglich 16 Stunden mit dem Bus von hier. Die Grenzen nach Brasilien sind offen! Brasilien hat auch Grenzen zu Kolumbien... Travelling ist all about changing plans! Irgendwie komme ich schon nach Kolumbien!

Am Ziel - Roman's Worte am Ende: "Ich bin echt stolz auf euch, keiner ist schlimm verletzt!" Wer sagt's denn! ;)


Kurz vor dem Start -Kukenan (links) und Roraima (rechts) sind fast immer von Wolken umgeben

Kukenan im Hintergrund


Dieser Weg führt eindeutig zum Roraima - allein Weg bis zum Fuß des Tepuis sind knapp 20km

Eine Stab-Heuschrecke am Wegesrand












Einer der tollsten Sonnenuntergänge - Blick vom Basislager an Tag 2.







Strahlender Sonnenschein. Eher selten auf dem Gipfel. Wir hatten richtig Glück.


Am Abgrund! Um uns herum waren die Wolken und grenzten unsere kleine Welt von allem anderen ab!





Dienstag, 22. Dezember 2015

Ein Engel fällt vom Himmel -Tour von Canaima zum Salto Angel

Unser Kanu gleitet durch die schwarze, glatte Wasseroberfläche des Rio Carrao. Das Dröhnen unseres Yamaha Außenborders in den Ohren, spritzt die weiße Gischt an uns vorbei - wenn der Wind günstig steht... Der Wind steht selten günstig und wir werden trotz Regenschutz mächtig nass. Undurchdringliches Grün säumt die Ufer zu beiden Seiten. Immer wieder versuchen Schmetterlinge den Fluss zu überqueren und weichen im letzten Moment der Gischt aus. Nicht allen gelingt es, sie enden als Fischfutter - der Kreislauf des Lebens. Wir sind auf dem Weg zum Salto Angel, dem mit 979m Gesamthöhe der höchste Wasserfall der Welt.

Bereits gestern bin ich in Canaima angekommen. Der Flug in der kleinen Cessna gab einen ersten Vorgeschmack auf das was uns erwartet. Bei der Landung erhasche ich einen Blick auf die palmengesäumte Lagune, in die sich sieben Wasserfälle ergießen. Unser komplettes Camp wird von der dortigen indigenen Bevölkerung, den Pemon, geführt. Nachmittags nehmen uns unsere Guides auf die andere Seite der Lagune. Die kleine Wanderung führt uns zu einem Wasserfall auf der anderen Seite, der Ausblick ist fantastisch und erinnert an die Szene aus König der Löwen, als Simba seinem Volk präsentiert wird. Wasserfälle, weite Steppe und am Horizont türmen sich die Tepuis, die für die Landschaft typischen Tafelberge, steil gen Himmel. Wir wandern zum Fuss des Wasserfalls und haben die Möglichkeit auf Socken hinter die Fälle zu gelangen. Ein feucht fröhliches Unterfangen! Den Wet-T-Shirt Contest haben defintiv unsere beiden Guides Joseline und Fabiola gewonnen ;)


Und jetzt fahren wir also zum Salto Angel. Immer wieder erschweren Stromschnellen die Fahrt, Wellen schwappen in unser Boot... Sorgen aber auch für jede Menge Spaß! Wir biegen in den kleineren Rio Churun ein, das Wasser wird flacher. Vor uns türmt sich der mächtige Auyantepui auf, aus dem der Salto Angel erspringt. Benannt ist der Fall nicht etwa nach den Himmelsgeschöpfen, sondern nach seinem (Wieder-)Entdecker Jimmy Angel, einem Buschpiloten. Keiner wollte seiner Entdeckung glauben schenken, also startete er zu einer zweiten Expedition und landete auf dem Tepui. Dummerweise blieb sein Flieger im Sumpf stecken und Jimmy musste sich 14 Tage lang mühsam einen Weg von diesem Berg suchen. Angesichts der Steilwände sicherlich kein leichtes Unterfangen. Auch wenn alle Welt bis heute vom Salto Angel spricht, wurde dem Wasserfall vor einigen Jahren wieder sein ursprünglicher Pemon-Name Kerepakupai-Meru zugesprochen.

Die letzten Kilometer der Fahrt stampft unser Kanu durch Canon del Diabolo - der Name ist Programm, wir haben mehrfach Kontakt mit den Felsen. Aber in meinen Augen der schönste Abschnitt. Kurz darauf kommen wir an unserem Busch-Camp an. Flip Flops werden gegen die Wanderschuhe getauscht und wir wandern 60 Minuten durch den schwülen Dschungel bergauf zum Aussichtspunkt. Eine schweißtreibende Angelegenheit, die Wasserfalsche leert sich fast von selbst. Ein letzter Felsen noch und der Blick wird endlich freigegeben auf den Salto.

Jetzt zu Beginn der Trockenzeit ist zwar bereits etwas weniger Wasser vorhanden, aber der Anblick ist trotzdem impulsant! Auf ein Foto ist die komplette Fallhöhe kaum komplett drauf zu bekommen - handgestoppte 40 Sekunden benötigt das Wasser von oben, bis es als feiner Sprühregen auf die Felsen trifft. Und alles in der atemberaubenden Schönheit des Canaima-Nationalparks!

Für mich geht ein Traum in Erfüllung. Bereits vor meiner großen Südamerika-Tour vor 4 Jahren habe ich einen dicken Kringel um den Salto Angel gemacht, konnte es damals aber noch nicht realisieren. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht.
Der Abstieg zum Camp ist nicht unbeschwerlicher als der Aufstieg. Im Dschungel wird es schnell dunkel und Erschöpfung verbunden mit rutschigen Steinen fordern ihren Tribut. Die letzten Meter gehen wir in kompletter Dunkelheit. Im Camp wartet eine kalte Dusche und ein leckeres Abendessen auf uns. Der Generator wird um 20 Uhr ausgestellt. Die Nacht verbringen wir in Hängematten - es wird sehr kalt! Ich wache noch vor Mitternacht auf, mein Kopf pocht. Ich will kurz aufs Klo, finde mich dann aber einige 100m weiter am Fluss wieder. Ein paar Glühwürmchen leisten mir Gesellschaft. Zurück in der Hängematte friere ich die Nacht hindurch. Zum Schlafen komme ich kaum, mir geht es wirklich nicht gut. Übermüdet geht es auf den Heimweg. Die Arschbacken schmerzen vom Sitzen auf den Brettern im Kanu - der Ausblick entschädigt.

Kurzes Mittagessen im Basis Camp. Eine neue Gruppe ist morgens angekommen, u.a. ein Holländer, der wie ich versucht auf eigene Faust durch Venezuela zu reisen. Am frühen Nachmittag geht die Cessna zurück; ein letzter Blick auf die Lagune und die Wasserfälle! Canaima ist wahrlich ein Paradies auf Erden.





Cuidad Bolivar - ich war wohl etwas launig ;)




Ich bin wach, bevor der Wecker klingelt - es ist 03:45 Uhr... 30 Minuten könnte ich noch schlafen, aber das wird jetzt auch nichts mehr. Um 05:30 Uhr muss ich am Flughafen sein, 2,5 Std. vor der Abflugzeit - und das bei einem Inlandsflug. Das Einchecken klappt problemlos. Es piept zweimal als ich durch den Scanner laufe, keinen scherts, also gehe ich weiter mit dem mulmigen Gefühl von Sicherheit. Gate 11 steht auf meiner Platzkarte, am Display wird Gate 8 angezeigt, letztlich bringt uns ein Bus von Gate 5 zum Flieger - muss man nicht verstehen, sagt man mir. Eso es Venezuela!
Vor dem Flieger hält unser Bus, die Triebwerke sind geöffnet und Mechaniker machen sich daran zu schaffen... Das mulmige Gefühl verfestigt sich. Wir sollen das nicht sehen und unser Bus fährt zu einem anderen Parkplatz. Etwas später fahren wir zur Maschine einer anderen Gesellschaft. Fliegen wir halt mit der. Musste nicht verstehen. Ist Venezuela!

Die Sicherheitsanweisungen nur auf Spanisch, bin eher der einzige Touri. Vorne über den WC's leutet die Aufschrift "Toiletten besetzt" - war wohl mal in deutschem Besitz die Maschine. Nach der Landung wartet bereits ein Fahrer, der mich die Stunde in die Stadt bringt. Am Rande der Schnellstraße kaufen wir einen Fruchtsalat-Saft-Mix - endlich Frühstück!
Am Nachmittag laufe ich mit leichtem Gepäch (also ohne Pass, wenig Geld und der alten Kamera) die Viertelstunde zum Orinoco. Buntes Treiben herrscht auf den Querstraßen am Fluss, während die eigentliche Promenade recht leer ist. Der Orinoco ist einer der größten Flüsse der Welt und ich bin viel zu faul, das jetzt genauer zu recherchieren. Es gibt nur ein paar wenige Brücken, die den Strom überqueren und am Horizont kann man die allererste ausmachen!

~Auch wenn die Sonne höllisch brennt, hat es was für sich, hier entlang zu flanieren. Im Reiseführer heisst es, die Altstadt könnte für die von Havanna gehalten werden, wenn es nur die alten Autos gäbe... Ich denke mir, die Autos hier sind auch nicht viel neuer. Die ersten Tropfen spüre ich auf den Armen, eine kleine Wolke reicht aus und schon geht es richtig los. Unter dem Vordach eines Hauses spricht mich ein Venezoelaner an, hat mich als Tourist erkannt - verdammt, ich bin echt auf dem Präsentierteller. Wir trinken ein Bier, er hat einen Sohn, der in Köln lebt. Alles sehr gefährlich hier - ich will's nicht mehr hören. Den Rückweg wähle ich so, dass ich an der Plaza Bolivar vorbei komme. Schöne Kathedrale, der Pfarrer stellt seine Schäfchen fürs Krippenspiel auf. Es weihnachtet sehr.


Wo sind die Schäfchen?

Montag, 21. Dezember 2015

Erste Tage in Venezuela - Karibikstrand in Choroni


Was weiß man eigentlich über Venezuela? Wenn man sich im Bekanntenkreis umhört sind das vor allem drei Dinge: 1) Attraktive Frauen - die meisten Schönheitsköniginnen kommen aus Venezuela 2) Eine teuflische Inflation von jenseits 100% 3) eine extrem hohe Kriminalitätsrate - eigentlich wird man schon beim Aussteigen auf dem Flieger direkt entführt. Wenn man dann weiter fragt, wer denn wann schon in Venezuela war, dann wird es schon extrem dünn. Googelt man im Internet nach Reiseberichten ist ie Auswahl auch eher überschaubar: Beeindruckende Karibik-Strände, faszinierende Tier- und Pflanzenwelt - hier herrscht Einigkeit und auf keinen Fall die Kreditkarte nutzen, da gibts nämlich nur den offiziellen Wechselkurs und der ist erbärmlich! Es lebe der Schwarzmarkt, aber bloß keine Blüten andrehen lassen oder womöglich ganz ausnehmen lassen... Das kann ja heiter werden!

Entsprechend bereite ich mich darauf vor und Erwerbe einen innenliegenden Bauchgürtel, um einen versteckten Ort zu haben. Die Kriminellen hier haben davon sicher noch nix gehört ;) Zudem beschaffe ich mir 800 USD in bar, um von den Vorzügen des Schwarzmarkts zu profitieren. Caracas möchte ich vermeiden, also buche ich mich tags vorm Abflug in die Casa Riqui Riqui in Chroni ein. Ulf, der Besitzer, schickt mir einen Fahrer zum Flughafen, der mich die 4 Std. zu dem Strandort fährt. Bereits im Flug wird mir bewusst, dass Venezuela jetzt nicht das klassische Urlaubsland ist - fast ausschließlich Venezuelaner an Bord. Der Landeanflug ist imposant. Die Gebirgskette um Caracas reicht fast bis zum Meer.

Während der Fahrt schlafe ich fast ausschließlich. Choroni bzw. der dazugehörige Hafen Puerto Colombia ist ein recht verschlafenes Nest, das am Wochenende die reiche Jugend aus Caracas anzieht. Meine Posada ist restlos ausgebucht. Nachdem ich mein erstes Geld gewechselt habe - allein das Zählen der Scheine hält uns 10 Minuten auf - wird am nächsten Tag der Ort erkundet, der Strand befindet sich etwa 15 Minuten östlich des Dorfs. Gut erreichbar, aber sonntags noch extrem bevölkert. Die erste sehr üppige Mahlzeit gibt es inkl. Getränke für weniger als 2 Euro. Wasser ist Mangelware, Bier ist günstiger! Ebenfalls Mangelware sind Verhütungsmittel - mehrere noch sehr junge Mädchen tragen mehr oder weniger stolz ihren Schwangerschaftsbauch zur Schau.

Venezuela ist nicht auf Backpacker ausgelegt, schon gar nicht zwischen den Jahren. Ich darf lernen, dass ich meine Touren besser deutlich im Voraus buche. Etwas was mir persönlich aufgrund mangelnder Flexibilität sehr missfällt. Montags fährt mich Ulf etwas in die Berge hinein, wo ich eine kleine Wanderung unternehme. Die Frage, ob ich Regensachen eingepackt habe, belächle ich - ignoranter Touri! Entlang eines Bachlaufs leisten mir nur einige bunte Schmetterlinge und die Geräusche der Tierwelt Gesellschaft. Später geht es durch Graslandschaft einen Hügel hinauf. Auf einem großen Felsen mache ich eine kleine Pause und genieße den Ausblick über den Nebelwald.

Ich döse etwas weg. Als ich aufwache verdunsten einige Regentropfen auf dem heißen Stein - Zeit umzudrehen! Keine 5 Schritte mache ich, als die Tropfen dicker werden! Ein massiver Regenschauer prasselt binnen weniger Sekunden auf mich nieder! Ein hoher Baum mit dichter Blätterkrone bietet mir Schutz - anfangs! Aber nach einer Stunde bin ich völligst durchnässt und wandere talwärts. Den nächsten Tag verbringe ich nochmal am Strand, den ich quasi für mich allein habe. Ich bin der einzige Touri im Ort - wunderschön und doch irgendwie einsam!




Den Strand hatte ich fast für mich allein :)