Sonntag, 10. Februar 2013

Mt. Kinabalu – Torturen sind was tolles!



Freitag Nachmittag kommen wir vor den Toren des Mt. Kinabalu National Parks an und finden direkt ein Zimmer in einem kleinen Motel direkt an der Straße gegenüber. Um unsere Tour zu buchen, müssen wir noch zum einzigen Hotel im Park, von wo aus man alles organisieren kann. Der Park ist aufgrund seine einzigartigen Flora und Fauna – nirgends wird man mehr Orchideen-Arten finden als hier – als Weltkulturerbe geschützt. Trotzdem befindet sich der einzige gangbare Weg zum Gipfel in Privathand eines Singapures, der dieses Monopol zu nutzen weiß. Keine 200m von unserem Motel entfernt, würden wir im Parkhotel für ähnliche Zimmer fast das 3-fache bezahlen. Während wir noch auf die Bestätigung warten, dass das am nächsten Tag mit der Besteigung klappt, treffen Petra und Jana – zwei Tschechinnen – ebenfalls ein. Wir kommen ins Gespräch und hätten auch fast mit ihnen zu Abend gegessen, wenn ihr vorher gebuchtes Dinner-Buffet im Park-Restaurant nicht 60 RM (ca. 15 Euro) pro Person gekostet hätte. 500m die Straße runter werden wir später für insgesamt 29 RM richtig gut essen. Wir verabreden uns aber für den kommenden Tag, um uns einen Guide zu teilen.

Nach einer kurzen Nacht treffen wir um 7:30 vor der Hauptverwaltung ein, von der man einen herrlichen Blick auf den freien Gipfel des Mt. Kinabalu hat. Ich erkundige mich nach der Wetterlage und es scheint als haben wir Glück. Heute soll ein richtig guter Tag werden, der Regen erst am Nachmittag einsetzen und auch für den zweiten Tag ist super Wetter prophezeit. Wir treffen noch auf zwei Holländer – war ja klar ;) – die ebenfalls zu unserer Gruppe hinzustoßen. Da die Mädels noch nicht gefrühstückt haben, brechen wir erst gegen 8:45 Uhr bei ca. 1.900 Höhenmeter auf. Unser Guide trottet eher teilnahmslos hinterher und lässt uns das Tempo machen, er hat nur ein paar Stunden geschlafen und einen ordentlichen Kater. Aber viel zu machen gibt es für ihn eh nicht. Der Trail ist deutlich erkennbar und alle 500m gibt es ein Schild, dass uns zeigt, dass wir vorangekommen sind und wieviel Höhenmeter wir zurückgelegt haben.

Die ersten 4 Kilometer sind nicht wirklich anspruchsvoll, über künstliche aber auch natürliche Stufen Bahnen wir uns den Weg nach oben und unsere Gruppe zerfällt recht schnell in zwei Teile – die Mädels und Oliver, einer der beiden Holländer, fallen zurück und wir warten von Zeit zu Zeit. Bram, der zweite Holländer, ist noch schlechter gerüstet als wir. Ohne Rucksack, nur mit den Sachen, die er am Körper trägt und seinem Lunchpaket stürmt er den Gipfel. Sein Ersatz-Shirt hat er noch am Frühstückstisch vergessen. Während wir uns nach oben mühen, hat es den Anschein, dass wir uns in den Hochnebel, der den Gipfel immer mehr umgibt, hocharbeiten – die traurige Wahrheit ist aber, dass dieser Nebel im Tagesverlauf immer weiter Richtung Tal wandert und uns daher irgendwann umgibt.




 Nach knapp 4km und 2 Stunden wird ein Lunch-Break eingelegt. Wir sind jetzt auf ca. 2700m und haben auf den letzten beiden Kilometern noch etwa 600 Höhenmeter vor uns – die Strecke wird ambitionierter und die uns umgebende Vegetation verändert sich total. Waren wir vorher noch von Dschungel und Regenwald umgeben, wird die Landschaft jetzt zunehmend karger und man hat einen Blick auf die Nebeldecke unter einem. Mich erinnert der Anblick etwas an Casper David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ (kaum zu glauben, dass ich in Kunst immer so versagt habe!!!).

Nach dem Lunch geht’s steil bergauf, die ersten Gruppen die morgens den Gipfel erklommen haben, kommen uns entgegen. Warum die, die bergab unterwegs sind immer lächeln, während man den anderen die Anstrengung im Gesicht abliest? Keine Ahnung, aber tags drauf wird es nicht anders sein, wenn wir uns gen Tal aufmachen werden. Bei Kilometer 5 gibt’s noch eine kurze Toilettenpause, von der man einen sehr akzeptablen Ausblick hat – aus Rücksicht auf die anderen verzichte ich aber darauf, die Tür geöffnet zu lassen. ;)

Bei Kilometer 6 liegt das Gästehaus auf etwa 3.300m Höhe, unsere Gruppe ist mittlerweile in alle Einzelteile gefallen. Kurz bevor ich eintreffe fängt es an zu nieseln – gerade nochmal gut gegangen, nasse Klamotten beim Bergsteigen kann ich echt nicht gebrauchen. Das enge Zimmer teilen wir uns mit den beiden Holländern und müssen dafür nochmal 40 Höhenmeter überwinden. Die Tschechinnen haben einen VIP-Raum erwischt – warme Dusche und Heizung im Zimmer. Nachmittags gibt’s ein sehr üppiges Abendessen. Der Tatsache geschuldet, dass wir bereits am nächsten Morgen um 2 Uhr aufstehen müssen, fällt hier alles etwas früher aus. Die Mädels bieten uns noch an, ihre Dusche zu benutzen. Obwohl der Gedanke, richtig aufzuwärmen (und manch anderer), echt verlockend ist, verzichten wir. Keiner hat auch nur im entferntesten Lust, die 15 Minuten zu unserem Zimmer zu laufen und wieder zurückzukommen.

Also geht’s bereits um halb 8 in die Kiste – wenn alle stinken, fällts ja gar nicht auf. So richtig einschlafen kann keiner, wie pubertäre Jugendliche wird noch eine Weile fachmännisch über die Vorzüge Osteuropas gesprochen und die ohnehin schon stickige Luft weiter verpestet. Um 8 Uhr schlagen unsere Zimmernachbarn an die Wand – um 8 Uhr!! Aber unsere ernsthaften Versuche danach einzuschlafen scheitern. Eine – wahrscheinlich – Koreanerin hängt überm Klo, kotzt sich die Seele aus dem Leib und verflucht – wahrscheinlich in ihrer Landessprache – die Höhenkrankheit. Pubertierenden Jugendlichen bereitet das Leid anderer Freude – ja, wir lachen uns über die komischen Geräusche kaputt! Blöd nur, dass die bis nachts um 11 Uhr anhalten.

Um 2 Uhr klingelt der Wecker – ich war schon wach. Auf dem Weg runter zum Frühstück (kann mir mal einer erklären, warum ich erst bergab muss, obwohl ich doch eigentlich auf den Gipfel will) kommt etwas Verunsicherung auf, da es überraschend warm ist und keine Sterne am Himmel zu sehen sind. Angeblich sind es nur 2,5 Stunden zum Gipfel, aber unser Guide drängt uns recht schnell zum Aufstieg, da vor uns schon die chinesischen und koreanischen Reisegruppen losmarschiert sind. Und tatsächlich, kurz hinter der Hütte wo wir die Nacht verbracht haben, staut es sich. Auf den rutschigen Treppen versuchen wir uns an den Langsamen vorbeizudrängen, was zumindest Bram, Nick und mir ganz gut gelingt. Der Aufstieg zum Gipfel, der komischerweise Low´s Peak heisst, zieht sich über 2,7 Kilometer und 800 Höhenmeter. Sehr bald ist mein Shirt durchgeschwitzt und der Puls ist auch – sagen wir mal – leicht erhöht! Nick und ich sind den Aufstieg in T-Shirt und kurzer Hose angegangen, um nach dem Erreichen des Gipfels lange, trockene Klamotten zum Wechseln zu haben. Während man sich bewegt ist das auch kein Problem, nur in den Pausen fängt man erbärmlich an zu frieren. Nach einem Kilometer haben wir den leichten Part des Morgens hinter uns gelassen – jetzt wird es steil und wir müssen uns im Schein unserer Taschenlampen an Seilen weiter vorarbeiten.

Recht bald gehören wir zu den ersten und können in der Dunkelheit unter uns die Lichterketten der anderen hintereinander aufgereiht beobachten, während wir im Windschatten eine Pause machen. Der Himmel ist aufgeklart, wir können ein paar Sterne sehen – der Sonnenaufgang wird geil! In etwas Abstand zu uns zollt ein Mädel in gebückter Haltung der Höhenkrankheit Tribut. Als wir uns nach 10 Minuten wieder in Bewegung setzen, könnte ich auch kotzen – der Gipfel zieht sich zu. Und es wird auch in der nächsten Stunde nicht mehr besser. Als wir den Gipfel erreichen sehen wir nichts! Im eisigen Wind auf knapp 4.100m Höhe wird sich schnell umgezogen und der Sonnenaufgang abgewartet. Es soll nicht sein. Stolz, den Gipfel erklommen zu haben und gleichzeitig enttäuscht, dafür nicht entsprechend belohnt zu werden, treten wir den Abstieg an, während uns immernoch Dutzende andere entgegen kommen, die zu dem Zeitpunkt schon wissen, dass es nix wird mit der guten Aussicht, sich aber dennoch hochquälen, um wenigstens den Gipfel zu erreichen.

Wieder beim Guesthouse Laban Rata angekommen, gibt es das zweite Frühstück. Gemeinsam mit Chris, den wir morgens beim Aufstieg kennengelernt haben, brechen wir recht bald zum Abstieg auf. Wir wollen uns mittags noch nach Kota Kinabalu aufmachen und er muss seiner Reisebegleitung, die im Tal verblieben ist, noch die Planänderung mitteilen. Damit sie rechtzeitig auschecken kann, müssen wir um 11:30 Uhr im Tal sein. Es ist 9 Uhr als wir aufbrechen und die beiden Jungspunde (Nick und Chris) wollen allen ernstes den Berg runter „rennen“. Angesichts der rutschigen Steine und Treppen absolut idiotisch und halsbrecherisch, wie uns auch unser Guide attestiert hat, der allerdings mühelos folgen konnte. Die Sonne kommt raus – die will uns echt verarschen. Und wir schaffen es tatsächlich in 1:45 Std. (bzw. ich in 1:50 Std.) die letzten 6 Kilometer zurückzulegen.



 Für dieses Unterfangen zahle ich heute, einen Tag später, den Preis. Muskelkater am ganzen Körper und Knie schmerzen – I´m too old for this stuff! Gelohnt hat sich’s trotzdem irgendwie, auch wenn ich mir jetzt im Internet anschauen kann, was für einen tollen Sonnenaufgang ich beinahe gesehen hätte.