Freitag Nachmittag kommen wir vor den Toren des Mt. Kinabalu
National Parks an und finden direkt ein Zimmer in einem kleinen Motel direkt an
der Straße gegenüber. Um unsere Tour zu buchen, müssen wir noch zum einzigen
Hotel im Park, von wo aus man alles organisieren kann. Der Park ist aufgrund
seine einzigartigen Flora und Fauna – nirgends wird man mehr Orchideen-Arten
finden als hier – als Weltkulturerbe geschützt. Trotzdem befindet sich der
einzige gangbare Weg zum Gipfel in Privathand eines Singapures, der dieses
Monopol zu nutzen weiß. Keine 200m von unserem Motel entfernt, würden wir im
Parkhotel für ähnliche Zimmer fast das 3-fache bezahlen. Während wir noch auf
die Bestätigung warten, dass das am nächsten Tag mit der Besteigung klappt,
treffen Petra und Jana – zwei Tschechinnen – ebenfalls ein. Wir kommen ins
Gespräch und hätten auch fast mit ihnen zu Abend gegessen, wenn ihr vorher
gebuchtes Dinner-Buffet im Park-Restaurant nicht 60 RM (ca. 15 Euro) pro Person
gekostet hätte. 500m die Straße runter werden wir später für insgesamt 29 RM
richtig gut essen. Wir verabreden uns aber für den kommenden Tag, um uns einen
Guide zu teilen.
Die ersten 4 Kilometer sind nicht wirklich anspruchsvoll,
über künstliche aber auch natürliche Stufen Bahnen wir uns den Weg nach oben
und unsere Gruppe zerfällt recht schnell in zwei Teile – die Mädels und Oliver,
einer der beiden Holländer, fallen zurück und wir warten von Zeit zu Zeit.
Bram, der zweite Holländer, ist noch schlechter gerüstet als wir. Ohne
Rucksack, nur mit den Sachen, die er am Körper trägt und seinem Lunchpaket
stürmt er den Gipfel. Sein Ersatz-Shirt hat er noch am Frühstückstisch
vergessen. Während wir uns nach oben mühen, hat es den Anschein, dass wir uns
in den Hochnebel, der den Gipfel immer mehr umgibt, hocharbeiten – die traurige
Wahrheit ist aber, dass dieser Nebel im Tagesverlauf immer weiter Richtung Tal
wandert und uns daher irgendwann umgibt.
Nach knapp 4km und 2 Stunden wird ein Lunch-Break eingelegt. Wir sind jetzt auf ca. 2700m und haben auf den letzten beiden Kilometern noch etwa 600 Höhenmeter vor uns – die Strecke wird ambitionierter und die uns umgebende Vegetation verändert sich total. Waren wir vorher noch von Dschungel und Regenwald umgeben, wird die Landschaft jetzt zunehmend karger und man hat einen Blick auf die Nebeldecke unter einem. Mich erinnert der Anblick etwas an Casper David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ (kaum zu glauben, dass ich in Kunst immer so versagt habe!!!).
Bei Kilometer 6 liegt das Gästehaus auf etwa 3.300m Höhe,
unsere Gruppe ist mittlerweile in alle Einzelteile gefallen. Kurz bevor ich
eintreffe fängt es an zu nieseln – gerade nochmal gut gegangen, nasse Klamotten
beim Bergsteigen kann ich echt nicht gebrauchen. Das enge Zimmer teilen wir uns
mit den beiden Holländern und müssen dafür nochmal 40 Höhenmeter überwinden.
Die Tschechinnen haben einen VIP-Raum erwischt – warme Dusche und Heizung im
Zimmer. Nachmittags gibt’s ein sehr üppiges Abendessen. Der Tatsache
geschuldet, dass wir bereits am nächsten Morgen um 2 Uhr aufstehen müssen,
fällt hier alles etwas früher aus. Die Mädels bieten uns noch an, ihre Dusche
zu benutzen. Obwohl der Gedanke, richtig aufzuwärmen (und manch anderer), echt
verlockend ist, verzichten wir. Keiner hat auch nur im entferntesten Lust, die
15 Minuten zu unserem Zimmer zu laufen und wieder zurückzukommen.
Also geht’s bereits um halb 8 in die Kiste – wenn alle
stinken, fällts ja gar nicht auf. So richtig einschlafen kann keiner, wie
pubertäre Jugendliche wird noch eine Weile fachmännisch über die Vorzüge
Osteuropas gesprochen und die ohnehin schon stickige Luft weiter verpestet. Um
8 Uhr schlagen unsere Zimmernachbarn an die Wand – um 8 Uhr!! Aber unsere
ernsthaften Versuche danach einzuschlafen scheitern. Eine – wahrscheinlich –
Koreanerin hängt überm Klo, kotzt sich die Seele aus dem Leib und verflucht –
wahrscheinlich in ihrer Landessprache – die Höhenkrankheit. Pubertierenden
Jugendlichen bereitet das Leid anderer Freude – ja, wir lachen uns über die
komischen Geräusche kaputt! Blöd nur, dass die bis nachts um 11 Uhr anhalten.
Um 2 Uhr klingelt der Wecker – ich war schon wach. Auf dem
Weg runter zum Frühstück (kann mir mal einer erklären, warum ich erst bergab
muss, obwohl ich doch eigentlich auf den Gipfel will) kommt etwas
Verunsicherung auf, da es überraschend warm ist und keine Sterne am Himmel zu
sehen sind. Angeblich sind es nur 2,5 Stunden zum Gipfel, aber unser Guide
drängt uns recht schnell zum Aufstieg, da vor uns schon die chinesischen und
koreanischen Reisegruppen losmarschiert sind. Und tatsächlich, kurz hinter der
Hütte wo wir die Nacht verbracht haben, staut es sich. Auf den rutschigen Treppen
versuchen wir uns an den Langsamen vorbeizudrängen, was zumindest Bram, Nick
und mir ganz gut gelingt. Der Aufstieg zum Gipfel, der komischerweise Low´s
Peak heisst, zieht sich über 2,7 Kilometer und 800 Höhenmeter. Sehr bald ist
mein Shirt durchgeschwitzt und der Puls ist auch – sagen wir mal – leicht
erhöht! Nick und ich sind den Aufstieg in T-Shirt und kurzer Hose angegangen,
um nach dem Erreichen des Gipfels lange, trockene Klamotten zum Wechseln zu
haben. Während man sich bewegt ist das auch kein Problem, nur in den Pausen
fängt man erbärmlich an zu frieren. Nach einem Kilometer haben wir den leichten
Part des Morgens hinter uns gelassen – jetzt wird es steil und wir müssen uns
im Schein unserer Taschenlampen an Seilen weiter vorarbeiten.
Recht bald gehören wir zu den ersten und können in der
Dunkelheit unter uns die Lichterketten der anderen hintereinander aufgereiht
beobachten, während wir im Windschatten eine Pause machen. Der Himmel ist
aufgeklart, wir können ein paar Sterne sehen – der Sonnenaufgang wird geil! In
etwas Abstand zu uns zollt ein Mädel in gebückter Haltung der Höhenkrankheit
Tribut. Als wir uns nach 10 Minuten wieder in Bewegung setzen, könnte ich auch
kotzen – der Gipfel zieht sich zu. Und es wird auch in der nächsten Stunde nicht
mehr besser. Als wir den Gipfel erreichen sehen wir nichts! Im eisigen Wind auf
knapp 4.100m Höhe wird sich schnell umgezogen und der Sonnenaufgang abgewartet.
Es soll nicht sein. Stolz, den Gipfel erklommen zu haben und gleichzeitig
enttäuscht, dafür nicht entsprechend belohnt zu werden, treten wir den Abstieg
an, während uns immernoch Dutzende andere entgegen kommen, die zu dem Zeitpunkt
schon wissen, dass es nix wird mit der guten Aussicht, sich aber dennoch
hochquälen, um wenigstens den Gipfel zu erreichen.
Wieder beim Guesthouse Laban Rata angekommen, gibt es das
zweite Frühstück. Gemeinsam mit Chris, den wir morgens beim Aufstieg
kennengelernt haben, brechen wir recht bald zum Abstieg auf. Wir wollen uns
mittags noch nach Kota Kinabalu aufmachen und er muss seiner Reisebegleitung,
die im Tal verblieben ist, noch die Planänderung mitteilen. Damit sie
rechtzeitig auschecken kann, müssen wir um 11:30 Uhr im Tal sein. Es ist 9 Uhr
als wir aufbrechen und die beiden Jungspunde (Nick und Chris) wollen allen
ernstes den Berg runter „rennen“. Angesichts der rutschigen Steine und Treppen
absolut idiotisch und halsbrecherisch, wie uns auch unser Guide attestiert hat,
der allerdings mühelos folgen konnte. Die Sonne kommt raus – die will uns echt
verarschen. Und wir schaffen es tatsächlich in 1:45 Std. (bzw. ich in 1:50
Std.) die letzten 6 Kilometer zurückzulegen.
Für dieses Unterfangen zahle ich heute, einen Tag später, den Preis. Muskelkater am ganzen Körper und Knie schmerzen – I´m too old for this stuff! Gelohnt hat sich’s trotzdem irgendwie, auch wenn ich mir jetzt im Internet anschauen kann, was für einen tollen Sonnenaufgang ich beinahe gesehen hätte.